Wenn Sohn 4 aus Versehen zuviel Milch oder milchhaltige Lebensmittel (genauer: Milchzucker) zu sich nimmt, sitzt er wenige Minuten später auf der Toilette, es geht ihm schlecht, meist hat er noch tagelang hinterher Beschwerden, oft genug Kopfschmerzen. Je nach Dosis alles zusammen, der Reihe nach und mehr oder minder ausgeprägt. Wenn Sohn 5 dergleichen tut, hat er das zum Glück in nicht ganz so ausgeprägter Form. Auch meine Frau – von der haben sie es geerbt – hat unter enormen Auswirkungen ihrer Laktoseintoleranz zu leiden, zumal sie Migränikerin ist. Ich selbst habe keine Beschwerden, trinke für mein Leben gerne viel Rohmilch und finde das alles manchmal ganz schön anstrengend.
Wenn die Kinder wegfahren, auf Schulfahrt, zu Freunden, auf Geburtstagsfeiern, in Urlaub, zur Oma, dann müssen wir dran denken, dass sie ihre Lactase in Form von Tabletten dabei haben. Im Kindergarten war das immer schwierig – alles, was wie eine Tablette aussieht, ist ein Medikament und das wird nicht gegeben von der Erzieherin – auch wenn es nur ein Enzym ist, das künstlich zugeführt wird. Im Auto haben wir in aller Regel eine Packung liegen – falls wir mal wieder vergessen haben, welche einzupacken. Wer jemals weitab jeder Toilette war und das Kind bekommt aufgrund der Milchzuckerunverträglichkeit und weil es gerade einfach das gegessen hat, was gerade da war, Durchfall – der weiß, warum.
Wir können gut damit umgehen, haben immer einen Karton laktosefreie Milch im Keller, wie gesagt, eine Packung im Auto, der Kartoffelbrei wird mit dieser Milch gemacht, so wie alles andere auch. Im Eiscafé fragen die Kinder schon automatisch, ob das Erdbeereis mit oder ohne Milch gemacht ist – wenn wir das Enzym nicht mit dabei haben. Weil sie wissen, wenn sie zuviel Milchzucker aufnehmen, geht es ihnen schlecht.
Mich macht es wütend, permanent über Witzchen zu stolpern, die sich darüber lustig machen, dass Menschen, die eine Laktoseintoleranz oder ander Lebensmittelunverträglichkeiten haben, vor der Aufnahme von Essen, von dem sie nicht wissen, was drin ist, danach fragen und so dafür sorgen, dass ihr Wohlbefinden erhalten bleibt. Laktoseintoleranz ist keine Empfindlichkeit, kein Bohei, kein Kladderadatsch – sondern etwas ernstes. Sie essen Butter und Käse – in Schnittkäse ist nicht viel Milchzucker drin. Laktose wird allerdings vielen Produkten zugesetzt:
Broten, Getreideriegel, Fertiggerichten, Würzmischungen, Wurstwaren, mariniertem Fleisch, Teigen, Bonbons und Speiseeis, Schokolade, Instantprodukten, Tütensuppen. Ein Grund für die Zugabe von Milchzucker ist das vom Food-Designer gewünschte „Mundgefühl“, das den Geschmack positiv beeinflusst.
Wir haben unsere Kinder dazu erzogen, dass sie sich darum kümmern, fragen, sich erkundigen und dafür sorgen, dass sie nicht nach einer Portion Kartoffelbrei aufs Klo rennen müssen oder solche Kopfschmerzen bekommen, dass sie den Rest des Tages im Bett bleiben müssen. Es ist nicht falsch, sich danach zu erkundigen, was im Essen/Trinken ist, wenn man eine solche Unverträglichkeit hat.
Diese Bild ist mir heute über den Weg gelaufen. Ich kannte es schon und ich ärgere mich schon immer darüber. Es tut so, als hätte man irgendwelches Anspruchsdenken an Geschenke, die nicht angebracht sind, Spinnereien, unangemessen wären. Ja, mag sein, dass das bei Bio, regional und vegan noch gelten mag – aber wer mal erlebt hat, dass jemand an einem allergischen Schock gestorben wäre, weil jemand „vergessen“ hat, anzugeben, dass doch Nüsse im Kuchen waren, der lacht da nicht drüber. Auch die Glutenunverträglichkeit ist nicht gerade witzig, wenn man eine hat.
Das Witzchen hier (und alle anderen auch) ist Teil einer Alltagsdiskriminierung, ein Ausdruck gesellschaftlicher Rücksichtslosigkeit, die nicht darauf achten möchte, dass es Menschen gibt, die Dinge anders machen und ihnen das wichtig ist – und dass es Menschen gibt, die Dinge anders machen müssen, die anders trinken und essen müssen, damit sie das, was sie aufgenommen haben, nicht direkt wieder von sich geben wollen (was dann auch kein schöner Anblick wäre). Meine Frau, unsere Kinder sind nicht überempfindlich, keine Prinzessin und Prinzen auf der Erbse, keine Wichtigtuer und keine Mimosen. Sie vertragen keinen Milchzucker und wenn sie das ignorieren, sich und ihr Befinden nicht ernst nehmen, dann geht es ihnen schlecht. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Wir erziehen die Kinder zu Menschen, die auf sich achten, die ihre Bedürfnisse – in diesem Fall elementare – auch äußern. Das ist nichts falsches und nichts, worüber man diskriminierende Witze macht. Wer auch immer die macht, sollte froh sein, nicht betroffen zu sein.
über Leute, die tatsächlich etwas nicht vertragen, sollte man sich wirklich nicht lustig machen. Aber es gibt mittlerweile so viele, die z.B. Gluten verteufeln, weil sie irgendwo gelesen haben, der von Natur aus im Getreide enthaltene Kleber sei ja sowas von ungesund, oder die keine Milchprodukte essen mit dem Argument, dass _in Asien_ die meisten Leute die Laktose nicht vertragen – und das ganz unabhängig davon, dass sie das selber ja eh problemlos vertragen täten. Und die meisten davon sind auch noch missionarisch. Gegen die richten sich Cartoons wie die obigen.
Eigentlich alles richtig. Doch der Schlüsselsatz ist dieser hier:
„Mich macht es wütend, permanent über Witzchen zu stolpern, die sich darüber lustig machen, dass Menschen, die eine Laktoseintoleranz oder ander Lebensmittelunverträglichkeiten haben, vor der Aufnahme von Essen, von dem sie nicht wissen, was drin ist, danach fragen und so dafür sorgen, dass ihr Wohlbefinden erhalten bleibt.“
Mich macht es wütend permanent auf Personen zu treffen, die keine Ahnung davon haben, was es bedeutet eine Lebensmittelunvertträglichkeit zu haben und „gesundes“ im Bio-Laden kaufen wegen ihrer angenommenen Laktoseintoleranz oder sonstiger Leiden, über die sie in Brigitte oder sonstigen Heftlen gelesen haben und sofort bei sich feststellten.
Diese Menschen sind lächerlich und machen sich durch ihre Unreflektiertheit ganz sicher zum Gespött – und schaden denen, die tatsächlich krank sind und auf bestimmte Nahrungsmittel angewiesen sind.
Eine Laktoseintoleranz wird getestet und dass man eine hat, basiert in aller Regel auf einer fundierten Diagnose. Es mag so Leute geben – deshalb sich über diejenigen, die dies wirklich haben – oder gar Nussallergie – lustig machen, ist wirklich nicht angemessen
Ja. Guter Artikel. Einerseits.
Andererseits sind es nicht die Leute, die Witze über Veganismus bzw. Allergien machen, die Euer Leben nicht vereinfachen. Es sind die Leute, die nach einem Glas Milch mal pupsen müssen und sich dann – gerne ohne jegliche Facharztkonsultation – zum Allergiker selbstdiagnostizieren und das dann leben, sich darüber definieren und damit ihre Umwelt terrorisieren. (Und nein terrorisieren ist für die Leute kein so überspitztes Wort.) Denn das sind die genau die Leute, die mit ihrer „ich definiere mich über meine Allergie” wiederum anderen Menschen – möglicherweise ganz unbewusst – ein Stücken den Alltag schwerer machen als es sei müsste.
Ich nenne die mittlerweile die Psycho-Allergiker: sie machen mich ein Stück weit krank. Weil sie stellenweise unglaublich viel Müll erzählen und mit einer unfassbaren Arroganz durch ihr Verhalten immer auch ein Stück weit das von anderen mitbestimmen. (Das ist ein ganz langes Thema.)
Ich trage echte Allergien als Mitmensch absolut mit und werde immer alles dafür tun, dass Bekannte/Freunde, wenn ich sie beköstige, von meinem Tisch aufstehen können und sich hinterher wohl fühlen – was oft nicht leicht ist, spätestens hast Du zwei echte Allergiker am Tisch sitzen. So what – bringt mich in meiner Koch- und Ernähungsentwicklung nur weiter.
Eine meiner besten Freudinen Meine beste Freundin ist hochgradig Histamin unverträglich. Diese Frau hat einen zehnjährigen „Ihre Beschwerden sind psychosomatisch”-ärztlichen Horrortrip hinter sich (weil’s eben mit der Histaminunverträglich in der Bestimmung nicht so einfach ist). Sie hat sich drei Jahre lang nur von Reis und Kartoffeln ernährt, kommt eine Tomate in ihre Nähe, sitzt sie nicht nur auf der Toilette und hat Kopfschmerzen; wir müssen den Notarzt rufen, weil das Herz aussetzt. Da wird man – nur als Beisitzerin – sehr demütig.
Wer so einen Fall mit lebt, der hat ein äußerst gespaltenes Verhältnis zu diesen Psycho-Allergikern, die ich so manches Mal gerne etwas aggressiv angehen würde. Tue ich nicht – aber erlaube mir bitte, wenn ich über diese Leute gelegentliche Witze mache. Das kann ganz gut entspannen in diesem „meine Allergie ist meine Religion”-Wahnsinn. Denn die Witze werden in der Tat nicht über die echten Allergiker gemacht, Ihr müsst Euch davon überhaupt nicht angesprochen fühlen.
Diese Witze werden über die Neurotiker gemacht, die auf dem Boot Eures Leides prima mitschiffen.
Dir ist ganz sicher bekannt dass die meisten Asiaten ebenfalls Laktoseintolerant sind. Als ich vor vielen Jahren in China war, erzählte mir meine Gastgeberin, dass jetzt die Milchprodukte aus den USA Einzug in China halten und die Chinesen Laktase nehmen um sie zu vertragen. Auf meine Frage, wieso sie sowas unbedingt essen wollen wenn sie es gar nicht vertragen antwortete sie: „weil uns gesagt wird dass Milchprodukte so gesund sind“.