Arbeiten

Seit Januar 2009 bin ich jetzt bei initial, einem kleineren Bildungsträger in Karlsruhe. Anfänglich noch freiberuflich tätig, bot man mir recht schnell einen Arbeitsplatz an. Ich habe bis heute noch parallel dazu einen Kurs aus meiner „Suchen-und-Finden“-Zeit beim ib in Karlsruhe: eine Umschulungsklasse mit zukünftigen Bürokauffrauen, die im Jahr 2010 Abschlussprüfung haben werden. Initial gibt mir die Möglichkeit, die Frauen bis zur Prüfung zu betreuen. Auch nicht selbstverständlich für einen Arbeitgeber.

Ich betreue dort einerseits eine Reintegrationsmaßnahme für Menschen mit Vermittlungshemmnissen wie gesundheitliche Einschränkungen mit dem Namen „Startklar für den neuen Job“. In einem 7-wöchigen kompletten Bewerbungstraining lernen diese Menschen einerseits mit dem PC umgehen – für viele Neuland – und ihre Bewerbung selbstständig und autonom zu erstellen. Wir versuchen, den Menschen wenig vorzugeben, sodass man nicht schon an der Bewerbung erkennt, bei welchem Bildungsträger der Mensch war – viele durchlaufen ja mehrere solcher und ähnlicher Kurse. Danach gehen die Leute in ein dreimonatiges Praktikum. „Ausbeutung“ wird jetzt mancher denken – und ich stand diesem Punkt zu Beginn schon zwispältig gegenüber. Aber schon im ersten von mir betreuten Kurs lernte ich den Vorteil gerade für ältere Arbeitnehmer kennen: für Arbeitgeber durchaus attraktiv ist es, jemanden kostenlos einzuarbeiten. Nun mag man einwenden: nunja, das könnte der aber bezahlen! Richtig, könnte. Aber er geht dann nicht so gern das Risiko ein, jemanden mit womöglich noch gesundheitlichen Einschränkungen einzustellen. Das kann man nicht gut finden – es ist jedoch fast immer so. Das Praktikum ist ein Türöffner. Wenn man erlebt hat, dass man so einen 57-jährigen Elektriker noch dauerhaft vermittelt bekommt, dann weiß man, dass es eine Win-Win-Situation ist.

Die zweite Erkenntnis ist: zumindest in Baden-Württemberg hilft es, wenn man aktiv auf dem Arbeitsmarkt ist. Umtriebig. Alle Arten von Bewerbungen erstellt: auf Stellenanzeigen hin, Initiativbewerbungen, Umfragen im Bekanntenkreis, einfach mal fragen, ob per Telefon oder persönlich. Wichtig scheint mir, dass man persönlich vorstellig wird, also VOR der Bewerbung anruft oder gar vorbei geht. Am Besten dann anschließend noch die Bewerbung persönlich abgibt – oder sie direkt nach einem guten Telefonat per E-Mail abschicken kann. Das erhöht die Chancen. Denn es zeigt Interesse und Engagement. Dass das trotzdem nicht einfach so auf Sachsen-Anhalt übertragbar ist, ist sicher jedem klar, die grundlegenden Wahrheiten bleiben jedoch.

Während der Maßnahme werden die Teilnehmer umfassend gecoached. In der Theoriephase nach Bedarf, während des Praktikums alle 14 Tage. Hinzu kommen Besuche im Praktikumsbetrieb.

Für mich selbst ist es spannend zu erleben, wie mein durchaus bunter Lebenslauf am Ende zu etwas führt, in dem ich mich wohlfühle. Denn ohne meine Erfahrungen in Arbeitslosigkeit, Umschulungen, Insolvenz des eigenen Unternehmens, dann mit Anfang 40 und abgebrochenem Referandariat auch erstmal Perspektivlosigkeit wäre ich nicht in der Lage, meine Arbeit so zu tun, wie ich sie tue. Ich kann mich leichter in die Teilnehmer hineinversetzen, ihre Hoffnungen und Ängste, ihren Frust und ihre Wut usw., denn ich kenne ihre Lage aus eigener Anschauung. Und gleichzeitig eröffnen sich mir auf diesem Wege auch Ansichten und Positionen, die mir helfen, zu erkennen, wo politischer Handlungsbedarf besteht. So gesehen macht es durchaus Sinn, wenn PolitikerInnen nicht die Berufung zum Beruf machen, sondern ab und an wieder in die Tiefen des „normalen“ Lebens tauchen und sich die Auswirkungen der von ihnen beschlossenen Gesetze auch wahrnehmen können.

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