Asyl für Snowden

Die taz beschreibt in einem lesenswerten Beitrag die rechtliche und politische Fragestellung in Bezug auf Edward Snowden. Juristisch ist es klar, es gibt keinen Weg, dazu müsste man die Asylgesetzgebung ändern und das kann in dem kurzen Zeitraum, in dem es nötig ist, nicht geschehen, weil das Thema und die Auswirkungen zu komplex sind. Aber politisch sieht es so aus:

Die Paragrafen 22 und 23 des Aufenthaltsgesetzes regeln die Aufnahme von Ausländern aus „völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen“. Ein Aufenthalt kann demnach erlaubt werden, wenn das Innenministerium „zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik“ die Aufnahme erklärt.

Ulrich Schulte bemerkt zu Recht, dass von einem CSU-Innenminister kaum anzunehmen sei, dass er, wie im grünen, offenen Brief an Kanzlerin Merkel – den ich auch unterzeichnet habe – zum Schluss käme, es läge im politischen Interesse, Snowden Asyl zu gewähren.

Ich hab mich bislang sehr kritisch mit der Personalie Snowden auseinander gesetzt und freue mich, zumindest in der taz einen Teil dieser Skepsis wiederzufinden:

Und auch das: Kann man Snowden glauben?

Schließlich beruht die ganze Aufregung auf mutmaßlichen Fakten, die er selbst an Medien weitergegeben hat.

In einem bemerkenswert guten Beitrag (*neid*) schreibt Michael Konitzer auf carta:

Was also tun? Die wirksamste Waffe gegen das Internet ist wohl, es umfassend – und nachhaltig (hier passt die Politphrase) in Misskredit zu bringen. Und was eignet sich besser dafür, als es als allgegenwärtige Überwachungskrake jenseits aller Negativszenarien (Orwells “1984″ u.v.a.) zu desavouieren? Das ist jetzt durch die Veröffentlichung von Prism, Tempora und was alles noch folgen wird, optimal gelungen

und kommt da zu einem ähnlichen Verdacht wie ich. Er spricht Snowden frei von jedem Vorwurf daran, ich bin mir da noch nicht sicher. Noch immer scheint mir die Räuberpistole zu gewagt. Und wie gesagt, seine angebliche Unschuld basiert alleine auf seinen eigenen Aussagen. Ich bin da lieber vorsichtig.

Jens Best hat mich in einer nicht immer netten Twitterdiskussion davon überzeugt, dass es begründet ist, Snowden Asyl anzubieten. Aber selbst wenn er ein U-Boot ist, wenn seine Aufgabe war, das freie Netz in Misskredit zu bringen – so ist es doch eine ehrenhafte Aufgabe, seine Unschuld zumindest anzunehmen und die Fakten zu prüfen. Eine Frage der Menschlichkeit und eine Frage, was uns dieses freie Netz tatsächlich wert ist.

Diplomatische Auseinandersetzungen mit den USA sind aber die Folge. Die EU erwägt, den Abschluss des Freihandelsabkommens mit den USA zu verschieben oder die Pläne dazu ganz aufzugeben – wegen des NSA-Skandals. Und ja, wir haben ein Auslieferungsabkommen mit den USA – aber wenn man annimmt, das Snowden unschuldig ist, dann ist das, was mit ihm passiert, tatsächlich politische Verfolgung – und ein Grund für Asylgewährung. Die USA haben ausreichend bewiesen, dass die Idee, dass sie ein freies Land sind, nicht unbedingt von Fakten unterfüttert sind. Wer permanent internationales Recht bricht, Menschenrechte ignoriert – Guantanamo – und foltert, dem kann man kaum jemanden ausliefern, solange anzunehmen ist, dass er unschuldig ist. Wer den Rechtsbruch öffentlich macht, ist kein Verräter, sondern jemand, der Durchsetzung von Recht – davon sind wir noch weit entfernt – hilft. Also, Snowden Asyl gewähren – aber genau prüfen, was den tatsächlich seine Intention ist.

Darüber hinaus halte ich den Weg, über den internationalen Gerichtshof gegen die USA ein Verfahren anzustrengen, durchaus für einen richtigen Weg. Weitere diplomatische Aktionen sind natürlich zwingend – ein Telefonat von Westerwelle mit Kerry reicht da kaum aus.

Der Eindruck bleibt aber, dass die politische Ebene versagt. Man hat kein Interesse an der Konfrontation in diesem Punkt mit den USA – den das würde eine Reihe von Fragen aufwerfen, die offenbar lieber nicht beantwortet werden wollen. Oder, um es mit Joschka Fischer zu sagen: „wir haben die USA nicht zu kritisieren“. Denn können wir zukünftig mit einem Staat wie die USA in der Form weiter zusammen arbeiten, ihnen „bedingslos“ folgen?

Beantwortet man das negativ – dann bleibt die Frage, was daraus folgt. Im Spiel der Großmächte kann Deutschland kaum alleine bestehen. Stark genug, um neben China, Russland und den USA in internationalen Fragen des Rechts, Krieg und Frieden und auch Wirtschaft ein Wörtchen mitzureden, ist allenfalls die EU. Und was eine Stärkung der EU für nationale Fragen aufwirft, das braucht nicht nur einen weiteren Blogartikel.

Die Frage des Asyls für Snowden ist somit eine Frage nationaler Bedeutung, eine Frage über die Ausrichtung und Teilnahme in Bündnissen. Die kann man kaum an einem Wochenende lösen. Insofern ist die schnelle Antwort der Bundesregierung eigentlich klar: man will nicht weiter in dieser Wunde bohren, es wird irgendwie weiter gehen, vergessen werden. Mir wäre es lieber, wir machten uns auf den Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa – und der Möglichkeit, Menschen wie Snowden zumindest die Möglichkeit zu geben, sich von allen misstrauischen Fragen reinzuwaschen und solange dies geprüft wird, politisch Asyl zu bekommen. Eine Frage der Menschlichkeit.

Und zu guter Letzt: die Berichterstattung über Snowden lenkt die ganze Aufmerksamkeit der Überwachung auf Prism. Tempora ist aber ein Überwachungsprodukt des Vereinigten Königreichs. Großbritannien. Umfangreicher, nicht nur auf Metadaten ausgelegt. Wie gehen wir eigentlich damit um, dass ein EU-Mitglied derartig das Internet und damit auch Bundesbürger überwacht?

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