Asylpolitik in Baden-Württemberg

Gestern wurde über die Kreisverbände ein Brief von Winfried Kretschmann (PDF) an die Mitglieder verteilt. Er nimmt zur aktuellen Asylpolitik Stellung.

Wie es so ist mit solchen Briefen, wird die Lage zuckersüß dargestellt. Das eigene Handeln ist ohne Zweifel, man macht angesichts der schwierigen Lage das beste, was möglich ist.

Ist das so?

Das erste Mal schlucken musste ich an dieser Stelle:

Art. 16 a unseres Grundgesetzes ist glasklar:
Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
Und das bedeutet: Für diese Menschen sind wir da. Sie brauchen unsere Hilfe und deshalb bekommen sie unsere volle, bestmögliche Unterstützung. Und ja: Für Verfolgte ist das Boot bei uns nie voll.

Und was ist mit allen anderen die hierher kommen? Die ein Bleiberecht haben – auf der Basis verschiedener Abkommen? Die sind also ausgeschlossen. Oder zumindest keine richtigen Flüchtlinge. Klingt so, oder? Wir kennen diese Aussagen. Es scheint also so zu sein, dass nun auch ein grün geführte Landesregierung Schutzsuchende sortiert – in gute und falsche Schutzsuchende.

Danach muss ich lesen:

Wir nehmen unsere Verantwortung sehr konkret wahr: Die Landesregierung hat in kürzester Zeit tausende neue Plätze in Aufnahmeeinrichtungen überall im Land ge-schaffen, mit denen wir die stark steigende Zahl von Flüchtlingen bewältigen.

Ja, inzwischen. Und nur einigermaßen. Ich erinnere mich noch gut an die Situation Ende 2012. Nachdem ich an einer Notunterkunft in der Karlsruher Delawarestraße einen PKW-Kofferraum voller Winterkleider und zwei Pakete Windeln abgegeben hatte, stand ich das erste Mal im Malscher Gemeinderat (in der Bürgerfragestunde) und hatte die Gemeinde gebeten, doch endlich ebenfalls Notunterkünfte bereit zu stellen – obwohl sie ursächlich nicht zuständig gewesen wäre. Ich wusste, in der Notunterkunft in der Delawaresteßae (das ist hinter dem Schulgebäude, wo meine Kinder zur Schule gehen, daher war ich da ganz gut informiert) wohnten, nein, man muss sagen hausten, teilweise bis zu 5 Familien in einem Zimmer. Kein Schreibfehler. Zimmer. Nicht Wohnung. Der Gemeinderat sah sich natürlich nicht in der Lage, etwas zu unternehmen. Bis heute sind die Aktivitäten auf das allernotwendigste beschränkt, wir haben nach wie vor keinen Raum, es fehlt an Platz für Gemeinschaftsunterkünfte, gebaut werden schonmal gar keine, bei der Anschlussunterbringung hinken wir auch hinterher.

sculpture-of-a-child-in-the-shadeAnstrengungen der Landesregierung, sofort Abhilfe zu schaffen: praktisch keine. Die grün geführte Landesregierung hat abgewartet, ob der Flüchtlingsstrom (ja, auch das höre ich aus manch grünem Munde, verbunden mit dem unsäglichen Hochwasservergleich) wieder „abebbt“ (um im Sprachbild zu bleiben). 2014, endlich, die Initiative zu neuen Erstaufnahmeeinrichtungen. Ein wenig Geld für den Bau von Gemeinschaftsunterkünften. 15 Millionen für 2015. Die waren Ende Januar weg. Und es gab nichts für kleine Gemeinden. Neuauflage, mehr Geld? Fehlanzeige,

In Malsch wurden, wie anderswo, nach 1992 (Asylkompromiss I) die Infrastruktur zur Aufnahme von vielen Schutzsuchenden zerschlagen, aufgelöst, umgewidmet. Geld, diese einfach wieder so herzustellen, ist nicht vorhanden, müsste aufgenommen werden. Auf meine Frage in der letzten Landesvorstandsklausur, ob da nochmal was käme: eisiges Schweigen.

Stattdessen kommt nun dieser Brief – der nichts falsch darstellt – aber geschönt und den Blick auf die Probleme verstellen möchte.

Der Asylkompromiss hat die Lage nicht verbessert. Er war ein Fehler – hat er doch die Ressentiments nicht nur geschürt – sondern gesellschaftsfähig gemacht. Er hat bestätigt, dass es gute und schlechte Flüchtlinge gibt – und all denen REcht gegeben, die das die ganze Zeit behaupten.

Es gibt in diesem Brief keine Aussicht auf Verbesserung der Abschiebepraxis. Wieso nimmt das Land nicht seinen Handlungsspielraum und sorgt da, wo es abschieben muss, aufgrund der Bundesgesetzgebung, nicht für eine humanere Abschiebepraxis? wieso kein Winterabschiebestopp? Wieso muss man Menschen so abschieben:

aus einer Mail:
Eine traurige Nachricht: Kaum sind die Flüchtlinge aus ihrem Massenquartier Turnhalle in das Hotel Bauer umgezogen, erfolgte in der Nacht zum Montag, den 16. März die erste Abschiebung.
In der Nacht um 3.00 Uhr wurde ein junger Mann aus Gambia aus der Unterkunft geholt, mit Handschellen gefesselt über Freiburg nach Frankfurt überstellt und dort nach Mailand verbracht.

Das Gute, was Kretschmann in Sachen Asyl tut, wiegt das Schlechte bei weitem nicht auf. Was er aufzählt – richtig. Aber da, wo er konkret bei den Schutzsuchenden, die hier sind, Hilfe leisten könnte, lässt er es bleiben. Wieso muss dieses Land schuldenfrei sein, 4 Jahre vor dem Tag, an dem es das wirklcih sein muss – und Menschen, die hierher kommen, auf der Flucht, müssen unter den unwürdigsten Umständen hausen, teilweise in Containern, teilweise weitab von der Bevölkerung? Eine grün geführte Landesregierung stellt Geld über Menschen. Das hätte ich mir in meinen schlimmsten Albträumen nicht vorzustellen gewagt.

Und am Schlimmsten: kein Wort zu den Roma. Kein Wort der Anerkennung, dass sie europaweit einen Schutzstatus benötigen. Achso – das widerspräche ja der Blindheit, die zum Asylkompromiss geführt hat.

Diese grün-rote Asylpolitik ist nicht zum aushalten. Vornerum macht man auf schön, hintenrum praktiziert man weiter wie es auch die CDU tun würde. Ich bin beschämt.

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