Man möchte es nicht wirklich glauben, was da derzeit in dieser Republik passiert. Da gehen zwischenzeitlich 17.500 Dresdner auf die Straße – und die konservativen Parteien und Medien geraten völlig aus dem Häuschen. Aber nicht in Panik, das kann man nicht unterstellen. Was man aber dagegen unterstellen muss, ist Berechnung.
Berechnung, den konservativen Rollback weiter voran zu treiben. Es geht nicht um Muslime, es geht nicht um die AfD, es geht nicht um Islamisierung. Es geht um das Pflegen der Saat, die Tilo Sarrazin mit seinen Büchern gesät hat. Jetzt ist man dabei, das Unkraut zu jäten, das sich festgesetzt hat zwischen all den Pflänzchen, den Menschen, die sich endlich trauen, zunächst leise, jetzt lauter, ihre Ressentiments in Worte zu kleiden. Am Ende dieses Prozesses steht nicht ein einwanderungsfreies Land, am Ende steht ein konservativ geprägtes Land, das zwar weiterhin Zuwanderung auch aus muslimischen Ländern haben wird, das weiterhin Moscheen haben und neue bauen wird – das aber ein Ende macht mit Ansprüchen an die aufnehmende Gesellschaft, sondern restriktiv und autoritär sagen wird, wo es lang geht.
Es fängt damit an, dass niemand so richtig liest, was nicht in den 19 Pegida-Forderungen steht. Es sind natürlich nicht die Forderungen, die Pegida erhebt, die wirklich schlimm sind – es sind die Dinge, die sie mit ihren Forderungen ausschließen. Schlimm noch dazu, dass ein Politikwissenschaftlerr das nicht erkennen kann – oder möchte. Erkennbar ist das nicht nur in den epischen Interviews, die der NDR dankenswerterweise ins Netz gestellt hat. Wer sich die Zeit nimmt, und zumindest durch die Interviews zappt – und sich dabei nicht nur das gesprochene Wort, sondern auch die Reaktionen im direkten Umfeld anschaut, dem wird das ziemlich deutlich.
Denn man muss sie in Kontext setzen, diese Reaktionen. In den Kontext von zwischenzeitlich zwei Pegida-Petitionen (1 und 2), die wegen diskriminierender Äußerungen der bejahenden Kommentatoren bzw. schon der Petition an und für sich geschlossen wurden. Es sind die Reaktionen derjenigen, die laut Beifall schreien – Verharmlosung ist noch das harmloseste, was man zu lesen bekommt. Es sind die Reaktionen beispielsweise der CSU, die ängstigen muss. Und es sind Presseartikel wie der von Monika Maron in der Welt, die aufzeigen, um was es wirklich geht:
Denn schon de Maizières unkonkrete Ankündigung ermutigte die Kolats, Kizilkayas und andere Wortführer der Muslime, dem Minister einen Forderungskatalog zu unterbreiten, den sie für jede ihnen günstig erscheinende Gelegenheit offenbar immer bereithalten […]
Am wenigsten verstehe ich, warum die deutschen Politiker mit den muslimischen Vertretern in diesem beschwichtigenden Ton sprechen, als hätten sie gerade einen Deeskalationskurs der Neuköllner Kriminalpolizei absolviert. Sie sind die gewählten Repräsentanten aller Deutschen und legitimiert, die säkularen Grundsätze des Staates klar und unmissverständlich zu verteidigen.
Es sind Absätze wie diese, die den Ängsten der Pegiden des Gefühl geben, sie hätten doch irgendwie Recht:
Ich frage mich schon lange, wie die muslimischen Verbände es anstellen, dass ihre absurdesten Forderungen die ganze Republik regelmäßig in Aufruhr versetzen, sodass man den Eindruck haben könnte, wir lebten tatsächlich schon in einem halbislamischen Staat, dessen säkulare Verfassung unter den religiösen Forderungen der Muslime nach und nach begraben werden soll.
Ist es absurd
wertschätzende Aussagen von Politikern“, um „die öffentliche Wahrnehmung“ des Islam in Deutschland zu verbessern.
einzufordern? Oder ist es eher absurd, diese Forderung mit Literaturkritik an ihren Büchern zu vergleichen, wie Frau Maron das tut?
Es ist das, was Pegida nicht befürwortet, dass solche Reaktionen heraufbeschwört – denn es wird ja verstanden:
„Pegida ist für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten. Das ist Menschenpflicht!“
schreiben Sie als allererstes. Erstens ist das keine Menschenpflicht, sondern ein Menschenrecht. Es besteht ein Anspruch mit Rechtsfolgen, es ist keine Pflicht – der man sich entziehen könnte, wenn man wollte. Und natürlich muss lesen, wen man nicht aufnehmen soll: diejenigen, die geduldet werden, diejenigen, die nicht abgeschoben werden, weil man zwar keine Verfolgung anerkennen möchte, aber die Augen nicht ganz verschließen kann vor dem, was im Heimatland tatsächlich passiert. Diejenigen, die, obwohl das Herkunftsland als „sicher“ eingestuft wurde, immer und immer wieder versuchen, hierher zu kommen – sie es, weil sie sonst erfrieren – oder gar keine Perspektive finden. Diese, erste Forderung richtet sich vor allem gegen die Roma. Und sie richtet sich gegen Zuwanderung, europäische Freizügigkeit. Diese erste Forderung ist zentral – antieuropäisch und zutiefst von Ablehnung von Menschen, die anders sind als man selbst, geprägt – sie ist fremdenfeindlich. Dass sie an erster Stelle steht, ist kein Zufall.
Und so geht es fort, in allen 19 Forderungen. Natürlich ist Pegida für dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen anstatt in Massenunterkünften. Es gibt nicht genügend, also können wir weniger aufnehmen, müssen erstmal dafür sorgen, dass man Menschen aufnehmen kann. Hört man immer wieder. Natürlich ist Pegida für mehr Polizisten – schließlich gibt es eine angebliche Gefahr für die innere Sicherheit, die von diesen Asylbewerber_innen ausgeht – auch das immer wieder zu hören. Und natürlich ist die Pegida für Volksentscheide nach dem Vorbild der Schweiz – weil sie nicht verstanden haben, dass es das Korrektiv des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland gibt. Allerdings hoffen sie, ähnliche menschenfeindliche Entscheide herbeiführen zu können wie die Zuwanderungsbeschränkungen der Schweiz – weswegen diese auch in ihren Forderungen einer Zuwanderungspolitik nach deren Vorbild ist – oder gar der restriktiven der australischen Regierung.
Im Kontext wird klar – und wer Pegidaseiten im Netz, vor allem bei Facebook oder Kommentarspalten von Zeitungen, die darüber – oder über Asylfragen berichten, verfolgt, der kann und muss erkennen, um was es geht: gegen eine Politik, die nicht nur Asylbewerber_innen freundlich gesinnt ist, sondern eine multikulturelle Gesellschaft als das Faktum anerkennt, das sie ist. Zuwanderer sollen sich integrieren – bzw. sie sollen sich assimilieren lassen. Pegida sind die Borg. Widerstand ist zwecklos.
Auf dieser Welle surfen CDU, CSU und die konservative Presse. Denn ein Sieg dieser Positionen wird anderes bewirken – sie wird aufzeigen, dass punktuelle Demonstrationen dazu in der Lage sind, einen konservativen Rollback zu forcieren. Nicht umsonst findet sich in den Pegida-Forderungen auch die nach der „sexuellen Selbstbestimmung“. Wer könnte da dagegen sein? Aber in Wahrheit geht es doch um die Forderungen, die die sexuelle Vielfalt und dagegen, dass diese im Schulunterricht Raum findet – Die „Demo für alle“ wurde schließlich von konservativen Kräften wie CDU und reaktionären wie der AfD nach Kräften unterstützt.
Beachtet man diesen Kontext, wird deutlich, warum es notwendig ist, gegen diese *Giden aufzustehen, ihnen keinen Fußbreit Raum zu geben und ihnen zu zeigen, dass sie viel weniger sind, als sie glauben. Und es wird Zeit, dass sich die Bürger_innen klar machen, dass es wieder Zeit wird, für eine moderne Gesellschaft zu streiten, dass man sich nicht mit dem Erreichten zufrieden geben darf und kann. Sonst wird aus Betreuungsgeld, aus Ausländermaut, aus „wer betrügt, fliegt“ und aus Pegida ganz schnell ein Land, das mehr mit den miefigen 1950ern gemein hat als mit einer Gesellschaft, in einem integrierten Europa, auf dem Weg in die Vereinigten Staaten von Europa, in der jeder Gast bei Freunden sein darf. A propos Gast – auch das ist eine alte, immer wieder wiederholtes Argument der Pegiden: wer Gast ist, soll sich auch so aufführen. Nur, dass man dem Gast das beste reicht – das scheint sich nicht herumgesprochen zu haben bei diesen Leuten. Und das unterscheidet wohl Teile des Abendlandes weiterhin vom Morgenland.
Jenseits vom konservativen Geschwafel von „berechtigten Ängsten“ etc stößt mir bei aller grundsätzlichen Zustimmung doch auf, daß Du CDU und CSU hier in einen Topf wirfst: die klaren Worte „unserer“ Kanzlerin finde ich schon bemerkenswert als Zeichen, daß es DIE eindeutige Position im konservativen Lager nicht mehr gibt. Anders wäre es ja auch garnicht zu erklären, daß es plötzlich AfD und dergleichen in die Parlamanete schaffen – da haben es die unsäglichen Friedrichs der CSU schon auf den Punkt gebracht: eine CDU, die z.T. Frauenquoten vertritt, Wehrpflicht und Kernenergie abschafft, ist als klares Feindbild der progressiven Kräfte unscharf geworden und macht Platz für Pegida und Afd.
Ansonsten: volle Zustimmung!
[…] Jörg Rupp, dessen Ansichten ich zumeist nicht teile, aber dessen Hartnäckigkeit ich schätze, ist empört. Er argumentiert, die PEGIDA-Dumpfbacken (Mein Begriff) wollten die Realität der multikulturellen Gesellschaft nicht anerkennen. Das ist nicht falsch, auch seine Kritik an der vordergründigen Auseinandersetzung ist nicht falsch, sie trifft m.Ea. aber nicht den Kern. Die Gesellschaft, insbesondere die Politik versäumt es nämlich, zu überprüfen, an welchem Thema in dem ganzen Umbruchprozess, der stattfindet, also der Globalisierung, der technologischen Revolution, dem Verlust nationaler Steuerungshoheit, der Auflösung von Identität, sich der Unmut, Zorn und Widerstand relevanter Teile der Gesellschaft entzünden kann. […]
Lieber Jörg Rupp,
bevor du dein Engagement weiter in alle Richtungen verstreust – ja, in alle – empfehle ich dir zunächst, dich authentisch ins Bild zu setzen.
Es könnte ja sein, daß du gerade (ohne daß du es ahnst) gegen deine eigenen Interessen marodierst, nur weil da einer dir erzählt hat, daß da in Dresden „die Nazis marschieren“ . Man muß nicht alles, was die dir inzwischen doch auch bekannten „Medien“ vorgeben zum Denken, für appetitlich zustandegekommen halten.
Wenn ich allein an etliche deiner obersten Parteifreunde denke, mit denen du gerade mal nicht so gut befreundet bist, und daß gerade sie an der Verbildung und Gleichschaltung der Medien arg mit herumstrampeln, um sie auch für die Stärkung der eigenen Position in der eigenen Partei auszubeuten – aber was sage ich da, das kennst du alles, auch ohne CDU, CSU, Pegida, usw., wobei du immer die Neokons, Kreationisten und Wiedergeborenen Evangelikalen, also die radikalen Evangelen mit ihrem heimlichen Polit-Oberguru Kauder, oder die Starjournalisten aus ZDF und ARD, die die TTIF-Ideen über Mitwirkung in der Atlantikbrücke und ähnlichen u.a.) tatkräftig unter die Leute bringen und die „offizielle Meinung“ gebieren) vergißt – da hast du ja jüngst deine eigenen trüben („unerklärlichen“) Erfahrungen gemacht.
Überwinde mal deinen eigenen ideologisch angefeuerten inneren Filter und schau erst mal nach, was so andere zusammengetragen und bis auf das Feinste recherchiert haben zu diesem Thema, die aus dem „inneren“ Zirkel kommend diesen und dessen heuchelnde politische Versottung und Versippung satt haben, auch wenn sie zum „Klassenfeind“ gehören – schau dir einen 4 Seiten-Text mit über 480 Kommentaren an (und davon nur die längeren, sie klappen aus durch Klick auf den Kommentator) – und wenn du dann deinem Parteichef Özdemir zustimmen willst, der (von heute) „Auch Angst vor der Islamisierung hat“ – nur eben nicht den Dresdenern das zugestehen will, die – wie die Bundessoldaten am Hindukusch – Deutschland gegen Islamismus-Terror und „schleichende Islamisierung“ (Spiegel 2007) „verteidigen “ wollen – nur ohne Waffen (?), dann bekommst du ein echtes Gefühl dafür, wie „ernst es ist“, vor allem: Was eigentlich dabei „ernst“ ist.
Du findest diese Analyse, die eigentlich aus den Reihen der Grünen hätte kommen müssen, wenn diese in deren Führung bundesweite Politikfähigkeit praktizieren würden, anstatt mit all denen zu kuscheln, die die Misere zu vertreten haben, du findest diesen inzwischen zum bundesweiten Spektakel angewachsenen Text hier, frisch von einem eigentlich als erzneolib bekannten Medienexperten, der aus der Schule plaudert, hier:
http://www.rolandtichy.de/tichys-einblick/pegida-die-schweigsamen-und-das-laermen-der-medien/#comment-14154
Wenn du danach einfach einen neuen Artikel schreiben möchtest, könnt ich das auch verstehen.
Dennoch:
Ich wünsche dir Erfolg für deine politische Arbeit, die in letzter Zeit sich heftig und noch nicht ausreichend gewürdigt qualifiziert hat, dein Engagement im besonderen..
Au weia, man weiss gar nicht wo man anfangen soll.
Also mal nur ein Kommentar zum Thema „gleichgeschaltete Medien“.
Auch ich wünsche mir oft eine mutigere Berichterstattung im ÖR Rundfunk oder bei Spon und Co., aber „gleichgeschaltete Medien“ sind ein Mythos. Hier funktioniert der demokratische Rechtsstaat doch noch wie gewünscht. Nie war die Medienvielfalt (dank Blogs und Internet) größer als heute. Ein Thema wo der Rechtsstaat wirklich erodiert ist der kontinuierliche Abbau von Freiheitsrechten. Schade dass die Leute nicht dagegen auf die Straße gehen.
Anbei ein sehr interessanter Artikel zu der „Mischpoke“ (Ein Begriff der gerne im dritten Reich von den Propaganda-Größen wie Göbbels u.a. verwendet wurde. Wie Özdemir auf diesen Begriff kommt ist mir nicht ganz klar. Vielleicht liegt es an seiner Art mit Leuten umzugehen, die eine andere Meinung haben.
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article135973630/Pegida-ist-keine-Krankheit-Pegida-ist-das-Symptom.html
Furchtbarer Artikel
Furchtbar für wen?
Für die linksgrüne Ideologie? Oder weil „die Welt“ mal einen Kommentar veröffentlicht, der nicht dem üblichen Mainstream-Trend entspricht (welchen es ja in Wahrheit gaaaarnicht gibt) veröffentlicht.
Zugegeben, dieser Artikel passt nicht ganz zu den Berichten der ÖR-Medien, die hilfsweise schon mal ihresgleichen interviewen müssen um die „echte Wahrheit“ (die mit den Nazis und so) herauszufinden und zu propagandieren.
Dann mal raus mit der Nazi- und Rassistenkeule, Herr Rupp, und immer feste druff solange sie noch zieht.
„linksgrüne Ideologie“. Was soll das denn sein!
Nein, der Artikel biedert sich auf unerträgliche Weise an die Rassisten der Peginesen an. Nur mal so als Gegengewicht
dieser Artikel, der klar aufzeigt, mit was wir es bei Pegida zu tun haben.