Filmkritik: Winnetou-Remake auf RTL

Zwischen den Jahren muss es vllt. nicht immer Politik sein. Wobei wie immer auch das Private politisch ist. 🙂

RTL hat sich an ein Remake der Winnetou-Filme gemacht. Ich gebs zu – ich hab mich ein bisschen gefreut. Ich hatte mit 8 oder 9 Jahren begonnen, Karl May zu lesen, die Winnetou-Bücher waren damals eine echte Offenbarung für mich. Ich lernte so schon früh einen differenzierten Blick auf die Ureinwohner Amerikas, trotz seines von einer triefenden Frömmigkeit, eines für die damalige Zeit „normalen“ Rassismus‘ und Kolonialismus durchtränken Werkes (wir erinnern uns: Hadschi Halef Omar isst gerne Schinken und Winnetou wird Christ). Das fiel mir als Kind nicht so sehr auf – mit der Zeit durchschaute ich es aber. Ich habe vor kurzem, als ich 14 Tage krank war, auf einen Rutsch die ersten neun Bände (die Kara Ben Nemsi-Reihe und Winnetou 1,2 und 3) noch einmal durchgelesen. Vieles ist heute beinahe unerträglich zu lesen, ich habe manche Stellen überblättert – nichtsdestotrotz hab ich ein bisschen von der Faszination wiederfinden können, die ich als Kind empfand, als ich es las.

Die 1960er-Jahre Verfilmungen waren eine große Enttäuschung für mich. Ich hatte die Bücher gelesen – und obwohl sich diese Filme stärker an der Buchreihe orientierten, fehlte doch viel von der Handlung, vor allem wurden viele Hintergründe nicht ausgeleuchtet – der Hauslehrer, der Eisenbahnbau, der (kolonialistische) Kleki-Petra, die Anpassung, Pueblos, usw. Heute bekomme ich allenfalls noch Gänsehaut, wenn ich die Musik höre.

RTL hat sich nun des Stoffes noch einmal angenommen. Aber man wird den Eindruck nicht los, als hätte weder Drehbuchautor noch Regisseur jemals auch nur eines der Bücher in den Händen gehabt. Winnetou wird zunächst rassistisch als Wilder, als unzivilisierter Mann dargestellt,

Winnetou (Nik Xhelilaj)

seine Schwester ist Schamanin, Tangua ein Alkoholiker, der „Gottesentscheid“, mit dem Old Shatterhand sich und Sam Hawkens rettet, kommt nicht mehr vor genauso wenig, wie Hawkens‘ Rolle als Westman richtig dargestellt wird, Old Shatterhand ist ein Abziehbild, die humanistische , aber auch frömmelnde Grundhaltung wird überhaupt nicht abgebildet. Es ist alles krude, durcheinander, falsch – ich habe nach dem Mord an Intschu-Tschuna sehr verärgert abgeschaltet. Ja, natürlich ist die Idee, Old Shatterhand und Karl May „zusammenzuführen“, als Person, wie es ja in den Büchern auch geschieht („Tscharlieh“), nett – der 1960er-Filmkenner kann das nicht wissen. Nur – warum muss man denn eine ganz neue Geschichte erzählen?

Nichts gegen Freiheit der Kunst – aber das ist ein Machwerk, das völlig respektlos gegenüber dem Original ist – dem Buch wohlgemerkt, nicht den 1960er-Filmen.

Fazit: wer Winnetou und Old Shatterhand will, wird weiterhin auf eine gute Verfilmung des Stoffs warten müssen. Dieses Machwerk hat jedenfalls damit nichts zu tun – und ohne den Mythos Winnetou ist der Stoff auch nur ein schlechter, deutscher Western. Ich hoffe auf eine gute Verfilmung ja immer noch, genauso wie auf eine Verfilmung der Perry-Rhodan-Romane, beginnen mit dem ersten Silberband 🙂 Auch bei Harry Potter sind Kleinigkeiten anders, dem anderen Medium geschuldet, auch beim Herr der Ringe oder dem Hobbit. Aber die Geschichte ist wieder zu erkennen. HIer ist es das nicht. Im Grunde ist der Film ein Fall für den Verbraucherschutz.

RTL hat eine große Chance vertan. Irgendwie war es aber kaum anders zu erwarten. Die anderen Teile werde ich mir nicht mehr anschauen.

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