ich werde alt!?

gänzlich unpolitisch und mal ganz persönlich:

Ganz real werd ich am Dienstag nächste Woche 44 Jahre alt – aber das ist nicht der Grund für diesen Blogeintrag.

Eigentlich geht es mir mehr sowas wie „Werte“, professionales Handeln in mancherlei Hinsicht. Zwei Dinge haben mich bewogen, das hier zu schreiben. Da ist einerseits ein kleiner Laden eines Telekommunikationsanbieters in Karlsruhe auf der Kaiserstraße. (17032010145Wir alle wissen, dass viele dieser Läden oft genug prekär arbeiten. Es sind Franchisingsysteme. Die Angebote, einen solchen Laden zu übernehmen oder zu gründen, finden sich oft in der Stellenbörse der Arbeitsagentur. Fachliche Voraussetzungen sind eine irgendwie verkäuferische Ader und Ahnung von aktueller Telekommunikationstechnik – also, aktuelle Handies sozusagen – und die Bereitschaft, sich selbstständig zu machen.) Und dieser Laden wirbt für seine Sonderangebote mit selbst gemalten Verkaufsplakaten. Das aktuelle ist ja noch geradezu nett . Bis letzte Woche war das nur mit einem „normalen“ Edding auf Flipchartpapier geschrieben, keine Gestaltung außer Absätzen. und ich muss sagen, dieses Schild hat mich so geärgert, dass ich mich als potentieller Kunde regelrecht beleidigt fühle. Plakatschrift kann man lernen, das ist nicht sonderlich schwer. Zu Plakatgestaltung findet man auch einiges. Man könnte das Ding am PC entwerfen und auf A1 plotten lassen – ist unter 5 € zu haben. Es gäbe viele Möglichkeiten und Infos darüber sind gar nicht schwer zu finden – aber scheinbar ist sich der Mensch, der diesen Shop betreibt, gar nicht darüber im klaren, wie negativ seine schlecht und unprofessionell gestalteten Plakate wirken. Ich als Kunde möchte gerne, dass man sich zumindest ein bißchen mehr Mühe gibt, mich anzusprechen. Und ich erwarte von jemandem, der so unprofessionell seine Außenwerbung auf der Karlsruher Kaiserstraße gestaltet, auch ehrlich gesagt wenig Sachkenntnis – und möglicherweise auch ein unprofessionelles Verhalten im Umgang mit einer möglichen Reklamation. Geht anderen Menschen vermutlich ähnlich.

Der andere Grund waren zwei Praktikumsbesuche, die ich durchgeführt habe. Bei beiden hatte ich es mit zwei Unternehmern zu tun, die „Verkäufer der alten Schule“ waren – und ich hab 1985 ja auch mal Verkauf gelernt. Was beide beschreiben, fand ich höchst bemerkenswert – es ging dabei nicht um „meine“ Praktikanten. Beide erzählen, dass sie öfter mal junge Leute /Schüler für ein Kurzpratkikum oder auch für einen 400-€-Job bei sich arbeiten lassen. Diese jungen Leute beherrschen im Umgang mit Kunden dann aber selten die grundlegenden kommunikativen Fertigkeiten wie jemanden begrüßen, wenn er oder sie den Laden betritt. Verabschieden ist oft noch schwerer.

Ich hab mir natürlich Gedanken gemacht. Wo kommt das her. Im Großen und Ganzen halte ich „die Jugend von heute“ nicht für schlechter erzogen als wir es waren – sie sind halt anders, weil es eine andere Zeit ist und die Umstände andere. Vieles kann ich verstehen – z. B. im Umgang mit den Medien, anderes wird mir verschlossen bleiben, weil ich eben keine 15 oder 20 mehr bin. Ich denke mir, es hängt auch damit zusammen, dass sie Einkaufen ganz anders erelben, als wir das durften. Viele kennen gar keine Supermärkte mehr, in denen Personal Zeit hat, zu beraten. Tante-Emma-Läden, wo der Verkäufer/die Verkäuferin gar noch jeden Kunden mit Namen kannte, gleich gar nicht. Wenn man heute mit Namen angesprochen werden will, muss man mit EC-Karte (oder irgendeiner Kundenkarte) bezahlen – wobei das noch lange keine Garantie ist. Ich finde das schon traurig. Der VerkäuferInnenberuf umfasst eigentlich sehr direkt das „verkaufen“ – doch es kommt in der Praxis oft genug nicht mehr vor. Und verkaufen kann man nur, wenn man auch die Leute kennt, die bei einem einkaufen. Im Aldi kann man das vergessen und im Media Markt gibt es das schonmal gar nicht. In den kleineren Läden – mein letzter Supermarkt, den ich leitete, hatte knapp über 500 m², heute undenkbar für eine Kette und es waren mindestens immer 3 Leute im Laden – an der Kasse, an der Wurst und jemand im Laden, der auf-/einräumte, aber auch Ansprechpartner für die KundInnen war – hat man beim Umgang gerlent, dass zwischenmenschliche Beziehungen auch etwas wert sind. Nicht nur der Verkaufspreis ist wichtig – sondern auch das Verkaufsgespräch. Die Empfehlung. Die Rückmeldung: danke für den guten Rat. STeaks macht man so. Kein Problem, Sie bekommen ein Ersatzgerät, solange Ihr Fernseher hier in der Reparatur ist (stell Dir das mal heute bei einem handy vor…).

Ja, ich werde alt. Die Servicewüste, das Verschwinden von Selbstverstänldichkeiten im persönlichen Umgang – das fehlt mir. Ich finde es heute dort, wo noch mehr Personal ist – z. B. im Bioladen. Bei meinem Getränkehändler. Dort, wo ich meine Hemden bügeln lasse. Auf dem Markt – aber selbst da nicht bei jedem/r. Da nimmt man sich noch Zeit für den/die KundIn und behandelt ihn/sie mit dem Respekt, der ihm zukommt – schließlich bringt er/sie sein Geld. In großen Ketten muss man froh sein, wenn sich die KassiererInnen nicht nebenbei unterhalten, während sie dich abkassieren.

Ja,ich glaube, ich werde alt. Weil ich tatsächlich entdecke, dass es Dinge gibt, die „früher“ besser waren – und für die es keinen adäquaten Ersatz gibt.

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TheK

Ich finde die Idee solcher improvisierten Lösungen nett – passt allerdings nur sehr begrenzt zur Branche. Hier macht das ein Laden für Kinderschuhe: Alles nur improvisiert, das Gebäude eine Bruchbude (war bis vor paar Wochen die Werkstatt eines Fahrradhändlers, der jetzt was größeres hat) – da passt alles zusammen.