Kinderarbeit und social washing

Ähnlich wie Greenwashing gibt es sowas wie „social washing“ – Unternehmen engagieren sich sozial, handeln aber sonst umgekehrt. Imagewerbung. Man hat erkannt, worauf es doch mehr und mehr Verbrauchern ankommt und tut nun so, als erfülle man diesen Anspruch.

So dachte ich, als ich auf einen Facebookbeitrag des Stadtmarketing der Stadt Karlsruhe stieß, der auf einen Artikel bei ka-news.de verlinkte. Hintergrund: Breuninger hatte Schokoherzen und -bären verkauft, damit 5000 € für Unicef eingesammelt und diese dann öffentlichkeitswirksam an Unicef übergeben. Karlsruhe ist nämlich 2010 Partnerstadt von Unicef und damit im besonderen Maße deren Zielen verpflichtet.

Also fragte ich nach. Ob die Schokolade aus fairem Handel sei. Denn ein Zertifikat war auf den Schokoherzen nicht zu erkennen.

Die Antwort verwies auf das internationale Kakaoübereinkommen. Das fand ich an dem Punkt nicht gerade hilfreich. Auch Terre des Hommes, mit denen ich zwischenzeiltlich mailte deshalb,  sieht das kritisch.

Die Antwort vom Stadtmarketing war also nicht ausreichend. Leider. Also telefonierte ich selbst. Breuninger hat eine eigene Confisserie, daher kamen die Herzen und Bären. Und man versicherte mir:

Die Schokolade ist von der Elfenbeinküste. Der Kakao wird ohne Kinderarbeit geerntet. Ein Zertifikat gibt es leider nicht.

Die einfache Frage ist: Woher weiß der Hersteller, dass der Kakao unter menschenwürdigen Bedingungen und ohne Kinderarbeit produziert wurde? Das kann er nur wissen, wenn es irgendeine Form der Vereinbarung und Kontrolle gibt, als etwa ein Verhaltenskodex, der überprüft wird oder ein seriöses Sozialsiegel oder der Faire Handel. Kann der Hersteller nichts davon nachweisen, kann man als Verbraucher nicht nachvollziehen, wovon er spricht.

Also musste ich noch ein bißchen bohren. Frau Rütters von Terre des Hommes hatte mir zwischenzeitlich eine aktuelle Studie zum Thema Kinderarbeit beim Kakaoabbau geschickt.Menschenrechte im Anbau von Kakao (PDF). Nun wusste ich also auch, dass Elfenbeinküste so ziemlich das schlimmste Herkunftsland war. Ich hab nochmal nachgefragt bei Breuninger und bei Unicef Karlsruhe. Breuninger hat sich gemeldet. Herr Hertig hat mir zugesagt, dass er das überprüft und Breuninger natürlich daran Interesse hätte, keine Schokolade aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu verkaufen. Zumindest nicht in der eigenen Confisserie. Und dass es ziemlich schräg wäre, käme die Schokolade für die Spende an Unicef tatsächlich aus solcher. Aber das klang nachvollziehbar und ehrlich. Trotzdem werde ich nochmal nachfragen.

Unicef Karlsruhe hat auf meinen E-Mail, was sie denn mit dern Spende machen, wenn die Schokolade aus Kinderarbeit käme, nicht reagiert. Nun, da muss man möglicherweise nochmal anrufen.

Update Das Problem bleibt aber. Gerade an Weihnachten – und demnächst an Ostern wieder – werden Unmengen von Schokolade verkauft. Faire Schokolade – oder gar noch dazu aus Bioanbau – ist da wenig mit bei. Es gibt kein Bewusstsein. Skandälchen: wenn ich nach Kinderarbeit und Kakao google, bekomme ich direkt Ferrero-Werbung angeboten: die sind dick im Geschäft mit Schokolade aus Kinderarbeit. Eine Übersicht gibt es bei der direkten Aktion bzw. Greenpeace. Nutella wird von der deutschen Fußballnationalmannschaft der Herren beworben. Kinderschokolade und Milka tonnenweise verschenkt. Dass es auch anders geht, auch in der Masse und im konventionellen Handel, zeigt Ritter Sport. Lobenswert. Nachahmenswert. Und wenn jedeR, der/die auf sowas trifft, nachfragt und jedeR, die/der diesen Artikel liest, in Zukunft andere Schokolade kauft, dann hat sich das hier schon wieder gelohnt. Achja – das Stadtmarketing reagiert leider nicht mehr. Bisher. Mal sehn.

Update Unicef hat geantwortet: Schokoherzenaktion Breuninger, als Reaktion auf meinen Blogeintrag. Die E-Mail endet mit den Worten:

UNICEF arbeitet seit vielen Jahren mit der Organisation Trans Fair eng zusammen und setzt sich dafür ein, die Sensibilität von Verbrauchern in Deutschland zu erhöhen. Auch Terre des Hommes ist Mitglied von Trans Fair. Aus der weltweiten Programmarbeit, als Mitglied von Trans Fair und aus Diskussionen mit Unternehmen weiß UNICEF, dass gerade in der Kakaoproduktion Kinderarbeit nach wie vor ein Problem ist. Aber leider ist nur ein kleiner Teil der Schokolade auf dem Weltmarkt zertifiziert. Und selbst wenn sie zertifiziert ist, gibt es – wie bei vielen anderen Produkten – keine hundertprozentige Garantie, dass nirgendwo in der Produktionskette Kinder- oder Menschenrechte verletzt werden.

Einer der Gründe ist, dass Kakao  – wie zum Beispiel in der Elfenbeinküste – meist von kleinen Familienbetrieben angebaut wird, die schwer zu kontrollieren sind. Wenn Kinder dort arbeiten, ist auch nicht immer einfach nachzuweisen, ob ein Kind, das in einem Familienbetrieb mithilft, ausgebeutet wird und zum Beispiel nicht zur Schule gehen kann oder schwere körperliche Schäden davon trägt. Die Information über das Herkunftsland allein ist leider nicht ausreichend, um ein Produkt zu beurteilen.

In meinen Augen sind das angesichts der unklaren Situation bei der aktuellen Spende Ausflüchte. Ich hätte – wenn man die Spende schon nicht zurückgibt – erwartet, dass Unicef diese 5000 € ausschließlich einem Projekt im Problemkreis zur Verfügung gestellt.

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Susanne

… eben entdeckte ich im Eine-Welt-Laden am Kronenplatz „faire Karlsruher Stadtschokolade“. Sie ist extra für den Laden produziert, dessen Adresse und Öffnungszeiten sind auf der Rückseite abgedruckt.
Foto: http://twitpic.com/3hqzfx

Das wäre doch auch eine feine Marketingkampagne, aber vermutlich bei 3,10 Euro für 70g zu teuer für spektakuläre Aktionen…..

Hartmut Rieg

Eine bessere Antwort von Breuninger oder eine Werbeaktion mit fairer Schokolade war kaum zu erwarten. Sie müssten sich ja dann auch fragen lassen, ob ihre Klamotten in Bangladesh oder China genäht worden sind…
Interessieren würden mich ja auch die Reaktionen von Unicef und Stadtmarketing, wenn man sie daran erinnert, dass es faire Karlsruher Stadtschokolade gibt. Wenn es hier nicht nur um Marketing, sondern wirklich um Kinder ginge, hätte man sich ja auch eine Aktion zum fairen Handel ausdenken können.

Ursula Grass

Nur der Vollständigkeit halber, hier mein vollständiger Brief an Herrn Rupp:

Sehr geehrter Herr Rupp,

Leider hat mich Ihr Schreiben über die Mailadresse des Webportals nicht erreicht. Natürlich nehmen wir Ihre Anmerkungen sehr ernst und ich möchte Ihnen direkt darauf antworten.

Wie Sie wissen, haben im Jahr der Städtepartnerschaft in Karlsruhe sehr viele Veranstaltungen stattgefunden. Es ist gelungen viele Bürgerinnen und Bürger zu motivieren, sich zu informieren und auch Hilfsprogramme für benachteiligte Kinder in Ländern zu unterstützen, die nicht im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen. Vermutlich werden es am Ende zwischen 200 und 300 Veranstaltungen sein. Die Spende vom Kaufhaus Breuniger war eine davon.

UNICEF hat sich für im Rahmen seiner Verhaltensrichtlinien klare Regeln gegeben, was die Herkunft von Spenden angeht. So müssen Spenden abgelehnt werden, wenn die Produkte und Produktionsweisen des spendenden Unternehmens Menschen oder der Umwelt erheblichen Schaden zufügen oder Mittel aus illegalen oder strafbaren Handlungen stammen. Auch Spenden von Unternehmen der Rüstungsindustrie oder dem Bereich Glücksspiel sind ausgeschlossen.

Kooperationen werden deshalb sorgfältig geprüft. Angesichts jährlich Hunderttausender einzelner Spenden können wir allerdings nicht jede Einnahme im Detail betrachteten. Grundsätzlich gilt die Regel: Wird konkret nachgewiesen, dass die Tätigkeit und die Handlungsweisen des Spenders den Zielsetzungen von UNICEF zuwider läuft, muss die Unterstützung abgelehnt und gegebenenfalls zurückgegeben werden.

UNICEF arbeitet seit vielen Jahren mit der Organisation Trans Fair eng zusammen und setzt sich dafür ein, die Sensibilität von Verbrauchern in Deutschland zu erhöhen. Auch Terre des Hommes ist Mitglied von Trans Fair. Aus der weltweiten Programmarbeit, als Mitglied von Trans Fair und aus Diskussionen mit Unternehmen weiß UNICEF, dass gerade in der Kakaoproduktion Kinderarbeit nach wie vor ein Problem ist. Aber leider ist nur ein kleiner Teil der Schokolade auf dem Weltmarkt zertifiziert. Und selbst wenn sie zertifiziert ist, gibt es – wie bei vielen anderen Produkten – keine hundertprozentige Garantie, dass nirgendwo in der Produktionskette Kinder- oder Menschenrechte verletzt werden.

Einer der Gründe ist, dass Kakao – wie zum Beispiel in der Elfenbeinküste – meist von kleinen Familienbetrieben angebaut wird, die schwer zu kontrollieren sind. Wenn Kinder dort arbeiten, ist auch nicht immer einfach nachzuweisen, ob ein Kind, das in einem Familienbetrieb mithilft, ausgebeutet wird und zum Beispiel nicht zur Schule gehen kann oder schwere körperliche Schäden davon trägt. Die Information über das Herkunftsland allein ist leider nicht ausreichend, um ein Produkt zu beurteilen.

Ich werde ihre Frage gerne zum Anlass nehmen, Aktionen noch detaillierter, als wir das bisher schon tun, zu bewerten.

Mit freundlichen Grüßen und Wünschen für 2011,

Ursula Grass

UNICEF Arbeitsgruppe Karlsruhe

Hartmut Rieg

Drei Anmerkungen an Frau Grass möchte ich noch machen:

Aus meiner Zeit bei terre des hommes weiss ich, welches Konfliktpotential im Begriff „Firmenkooperation“ liegt. Meine Meinung ist, dass man sich schon sehr genau ansehen muss, was und wie die betreffende Firma produziert. Man könnte zunächst mal fragen, wie groß bei den Hochpreis-Klamotten der Lohnkostenanteil beim Nähen ist. Oder die Arbeitsbedingungen im Handel hinterfragen? Kennen Sie übrigens das schon: „Was ist los bei Breuninger?“ http://www.afa-region-stuttgart.de/index.php?nr=44299&menu=1&__afaregs=124026dfe1da2a3dbc4fe3076bd3a28c

In Karlsruhe gibt es eine faire „Karlsruher Stadtschokolade“, die vom Agendabüro und dem Weltladen entwickelt worden ist. Hergestellt wird sie von der Firma Zotter, deren Inhaber hier ein erhellendes Interview zu unserer Art zu wirtschaften und zu leben gegeben hat: http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=1307 Zitat von Zotter: „Wie kann jemand überhaupt eine Schokolade um einen Euro kaufen? Was kann da der Produzent gekriegt haben?“

Das Hauptproblem beim Kakao-Handel sind nicht die Kinder der Familien, die mitarbeiten, sondern die Ausbeutung der ganzen Familien und von Kindern, die z.B. aus Mali oder Burkina Faso in die Elfenbeinküste verbracht und dort als Arbeitssklaven gehalten werden. Ein weiteres Problem sind Korruption und Spekulation beim Handel, was die Kakaobauern ruiniert und zu den beklagten Kinderarbeitspraktiken beiträgt. Ich nehme an, diese Dinge werden nicht nur bei tdh, sondern auch bei Unicef in den Arbeitsgruppen diskutiert. Man kann das Problem nicht einfach darauf verkürzen, dass man halt die Familien nicht kontrollieren kann. Hier gibt es eine ganze Kette sozialer Mißstände, die beginnt in den Anbauländern, aber sie endet bei uns. Also sollten wir hier anfangen, etwas zu verändern.