Lampenfieber ;-)

So, nun ist es passiert. Ich bin am Sonntag in den Parteirat gewählt worden. Es war mein 4. Anlauf und bis auf das erste Mal war es jedes Mal knapp – so auch dieses Mal. Nur bin ich halt dieses Mal knapp drinnen. Und das erste Mal zählt ja nicht so richtig: da hab ich meine Redemanuskript zerrissen und spontan eine männerpolitische Rede gehalten. 2003 war das. Dann 2005 im Stechen gegen eine MdB verloren und letztes Mal wars der undankbare 7. Platz. Jetzt hat’s geklappt und ich freu mich, bin voller Enthusiasmus und Motivation. Das Kräfteverhältnis zwischen den Lagern ist ausgeglichener als zuvor und ich bin wirklich gespannt auf die Aufgabe und hoffe, viel bewegen zu können. Aber darum gings mir in diesem Blogeintrag eigentlich nicht.

Also, eigentlich wollte ich erzählen, wie es mir so ging seit der Entscheidung, doch zu kandidieren. Zunächst bin ich ja so ein „alles auf den letzten Drücker“-Mensch. Aber ich hab doch ziemlich direkt angefangen, meine Rede zu schreiben – so wie ich das meistens tue, wenn ich was zu schreiben habe: ich bastel in meinem Kopf was zusammen und irgendwann muss ich hinsitzen und das dann aufschreiben. Alternativ setz ich mich einfach hin und lege los – so schreib ich an meinem Roman, der vielleicht irgendwann zum Rentenalter fertig wird. Unterwegs habe ich beschlossen, dass es dieses Mal vermutlich besser klappt, wenn ich keine ausgeschriebene Rede hab, sondern einen Anfang für die Sicherheit und den Rest nur mit Spiegelstrichen notiere. Damit konnte ich bei Kopfarbeit bleiben. Am Sonntag früh im Zug (6:07 Uhr ab KA und kein Bus von Malsch um diese Zeit) nach Biberach habe ich dann die letzten Spiegelstriche gemacht und dann weiter an meinem Perry Rhodan gelesen. Entspannung.

Denn ich war schon den ganzen Tag zuvor richtig aufgeregt gewesen. Wegen der Vorstandswahl. Und ich musste ja noch zum Herbstkonzert des Musikvereins und da mitspielen. Als mich um kurz vor 18:30 Uhr die Nachricht erreichte, dass Chris mit deutlicher Mehrheit zum neuen Landesvorsitzenden gewählt worden war, konnte ich zum ersten Mal an diesem Tag was essen. Da aber um 18:30 Uhr das Einspielen und Stimmen fürs Konzert anfing, musste ich warten, bis wir am Ende die Zugabe („Heal the world“ von M. Jackson – tolles Stück für nen Grünen) gespielt hatten. Und dann begann ja schon wieder die persönliche Aufregung – vorher war das ja ne „mein Landesverband“-Aufregung. Um halb fünf wollte ich aufstehen – um halb vier ratterten schon wieder die Spiegelstriche durch meinen Kopf. Auch „komm, das wär ja nicht so schlimm, wenn’s nicht klappt“ konnte nicht wirklich helfen – wenn man will, will man schon, oder? Am Karlsruher Bahnhof hab ich mir noch ne Bretzel gekauft, die ich bis Ulm dann auch geschafft hatte.

Auf der LDK hing dann die Aufregung bis zu meiner Rede im Oberkörper fest – Druck auf dem Magen. Kein Hunger. Nix reinzukriegen. Als ich den Aufgang hinausging dacht ich noch: „Ups, jetzt ist’s ja schon soweit“ – und dann musste ich loslegen.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Vorstellung

Ab und zu bekomme ich eine von diesen Kettenmails, in denen die gute alte Zeit, als ältere Herren wie ich noch jung waren, verherrlicht werden, eine „Twix hieß damals noch Raider“ –Mail. Ich mach das sicher wie die meisten von Euch – ich lösch sowas. Ein bisschen Nostalgie gehört zum Leben, doch der Blick nach vorne ist ungleich wichtiger.

Zu Anfang des neuen Jahres wird es reichlich Gelegenheit geben, nostalgisch zu werden – denn die grüne Partei wird 30 Jahre alt. Wir sind angetreten als Anti-Parteien-Partei, wollten aufräumen mit autoritärem Politikstil, haben sinnvolle und sinnlose Regeln aufgestellt aber vor allem waren wir immer eines: eine basisdemokratische Partei. Diese Basisdemokratie war immer ein saumäßig wichtiger Punkt für mich, mich bei den GRÜNEN zu engagieren – neben den programmatischen natürlich. Die basisdemokratischen Elemente waren immer Alleinstellungsmerkmale für uns GRÜNE. Doch in diesen Tagen macht uns die SPD vor, dass man seinen Landesvorsitz auch per Urwahl bestimmen kann. Die SPD! Nicht nur hier im Land eine stockkonservative Partei überholt uns da. Und selbst die CDU spricht zwischenzeitlich von einer Basis – den Begriff kannten die vor unserer Gründung gar nicht.

Leute, an dem Punkt haben wir ganz schön Vorsprung eingebüßt. Und wenn wir heute von Netzpolitik reden – schlimm genug, dass uns da eine Piratenpartei fast hin tragen muss – dann haben wir auch da Nachholbedarf. Vor 8 Jahren noch absoluter Vorreiter mit dem virtuellen Parteitag, […]

mehr hatte ich nicht in Reintext. Wie immer hatte ich zuviel aufgeschrieben – und als die gelbe Lampe anfing zu leuchten, schon noch ein paar Spiegelstriche übrig. Beim Reden ist die Aufregung dann übrigens weg – und ich bin hellwach und war daher tatsächlich in der Lage, 6 Stichwörter in 30 Sekunden zusammenzufassen – wie man mir mitteilte unter einer deutlichen Zunahme des Redetempos 🙂

Tja, sie scheint wohl gut genug gewesen zu sein, diese Rede. Wurde mir auch oft genug gesagt. Ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl.

Jetzt bin ich also im erweiterten Landesvorstand. An die Arbeit. Ich freu mich immer noch.

Achso – natürlich hab ich zu Hause dann abends erstmal die Landesschau angeschaut. Mein sechsjähriger Sohn saß daneben und hat mich dann tatsächlich beim Gruppenbild entdeckt. Und heute morgen hat ihm meine Frau erzählt, dass das in der Zeitung stand. Heute abend meinte er beim Abendessen: „Ich will auch mal im Fernsehen kommen und in der Zeitung stehen. Papa, dann geh ich einfach zu den GRÜNEN und zieh dann das T-Shirt an, dass du angehabt hast.“ Na, wenn das kein Versprechen ist 🙂

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Ute Drechsel

Tja Jörg, zum letzten Abschnitt: Da kannste deinem Kerl schon mal klar machen, dass er sich warm anziehen soll. Meine sechsjährige hat da ähnliche Pläne, und wen die Grünen bis dahin nicht die Frauenquote endlich haben abschaffen können, weil die anderen Parteien die Männer so furchtbar benachteiligen, hat er es schwer gegen sie.
Ute