Ich hab diese Szene für den Ettlinger Mundartabend 2007 geschrieben – weil ich finde, dass Mundart mehr kann als nur „lustig“ zu sein – Fasenacht auch außerhalb der närrischen Jahreszeit – sondern man damit auch ernste Themen behandeln kann. Die Szene basiert auf einer realen Begebenheit. Im April 1945 haben Mitglieder der Hitlerjungen mit einer Panzerfaust auf die durchs Albtal einrückenden französischen Bataillone geschossen. Mehrere der jungen Leute wurden getötet. Die Geschichte meines Onkels, der sechzehnjährig in Reithosen und Stiefeln verhaftet wurde, nur weil er sie anhatte, ist so tatsächlich passiert- inklusive der übersetzenden Dr. Carnier. Richtig ist auch, dass meine Großeltern den Zwangsarbeitern immer wieder mal Essen zugesteckt hatten und auch keine auf ihrem Hof beschäftigt hatten.

6. April 1945

Isch d’Gretl schon widda dehoim?

Noi?

Wo bleibt’se denn? Ich hab doch glei s’Esse ferdich! Die waiß doch, wann’s esse gibt.

Außerdem, sie hat sich doch so g’fraid, dass ich noch vorgeschdern beim Bauer Rupp aus de Bruchgass e paar Aier kriegt hab. Un e paar Krumbiere und sogar e bissele Speck hadda mir gegebe.

„Schee, Mama“, hat se g’sagt. „Des hat’s scho lang nemmeh gegebe. Gebrotene Krumbiere mit Speck un Aier mache ma do draus“, hat se g’moint.

Und dann kommt’se z’schpät. S’werdere doch nix passiert sei?

Gott sei Dank hen mir en Holzherd. In de ganze Stadt gibt’s koin Strom und Gas mehr.

Was?

Noi, Babbe, bleib du numme unne im Keller. Du gehsch jetzt ned naus!

Ja, immer noch wege de Franzose. Un wege dene ganze Fremdarbeiter.

Ja, ich wais. Mir henn alle g’moint, dass d’Amis komme.

Noi, du gesch se jetz ned suche. Die wird scho beikomme. Sie had ja nur de Klaus hole welle. Vieleichd isch se in e Kontroll komme. Wenn nur de Klaus sei Gosch halde tut.

Was sag’sch?

Ich hab g’sagt, dass de Klaus besser sei Gosch halde soll. Ha, wege de Franzose. Du waisch doch, wie er isch. Moint immer noch, mir hedde de Krieg gwinne müsse. Dummer Bu. Volkssturm. Do hadda ah nix me devo, wenn er dod isch. Gott behüte!

Ich fang jetzert emol oh, d’Krumbiere ohzubrote. Sie were jo glai komme.

Moinsch, unsere Soldade sin devogekomme?

Noi, ich a ned. Aba ma hert halt nix.

De Karl sagt, wo die Franzose durch’s Rathausdor komme sin, sin unsere hinne durch’s Schloßdor wieder naus. Aber er sagt a, dass ma sich erzähld, dass d’Franzose des gwisst hen. Sonschd hedde se alle erschiese oder eischperre misse.

Jaja, ich wais, dass die ned zimberlich sin. Un gege die ganze Plindereie dun se ah nix. Ich wais des scho. Des isch a e Uglück. Gott sei Dank hen mir koi große Probleme.

Jetz ischs 10 nach 5 un die sin immer noch ned do. Jetz mache ma aba wirklich Sorge. Ich hab dem Klaus g’sagt, dass se em halber Finfe wieder do sei solle. Un zwar pinkdlich! S’wird doch nix bassiert sei?

Horch, de Rupp hat g’sagt, dass’e am Samstag noch emol Aier hole kann- un sei Frau gibt mer a bissel Hihnersubb ab.

Ja.

Noi, aber im Sommer kenne mer helfe Hai mache, mir alle. Hat er g’sagt. Noi, der kann noch ned sage, was er uns gebbe kann. Wahrscheinlich sin mer froh, wenn ma was zu schaffe hen.

Wenn dem sei Frah den ned hoimgholt hed ausm Krieg. Dann däds do wahrscheinlich a e bissel annerschd aussehe. Was isch die Berda grennt, bis der Mann wieder dehoim war. Mit 3 Kinner had se aber a ned den Hof alloi laite kenne.

Do hasch rechd. Des isch a e Glick für uns. Und fir die erschd. Sonschd wär er dod, wahrscheinich.

Die hen a koi große Probleme mit Plinderunge. Denne had koine was getue. Die hen schließlich durch ihr Kinner denne ab und zu was zugschdeckt. Was zum Esse.

Gretl jo a. Aber de Klaus hat des nie mache welle. Abschaum hatter se gnennt. Ich sag ja, hoffentlich halt der sei Gosch.

Hajo, do welle sich halt jetz e paar räche. Ich kann des jo scho verschtehe. Die sind jo wirglich ned gud behandelt wore. Aber was will ma mache? Hinnerher isch ma immer schlauer. Jetz isch’s z’schpäd.

Und d’Franzose – die hen halt de Krieg gwonne. Wer wais, wie sich unsre uffgführt hen, in Frankreich oder sonschdwo.

Gell des riechd gut?

Hoffentlich! Do hasch rechd. Hoffentlich komme doch noch d’ Amis. Soll besser sei mid dene. Sagese. Wer? Ja, der Karl.

Ich habs immer g’sagt. SO kann ma mit de Leid ne umgehe. Aber ihr hen jo nix devo wisse welle.

Krieg. Vaterland. Führer. Haja – und jetz? Nix meh mit Führer, Volk, Vaterland und Arbeit für alle. Alles im Oimer.

Ich habs Eich g’sagt. Aber ihr habts ja so habbe welle. Und was wird jetz?

Moment, wer kommt denn do? Ach, s’isch blos d’Katz von nebedroh.

Jetz isch’s Esse wirklich fertich. Ich lassere halt ihr Aier ibrich. Krumbiere kann se sich a warm mache. Un für de Klaus.

Komm, bring noch Wasser uff de Tisch. Un hogg de schon emol noh.

Jo, do isch d’Pfann. Nemm dir was – ich gugg bloß noch emol, ob se vielleicht do vorne um d’Eck komme.

Gudde Abbedidd.

JessesmarieaundJosef – hasch des ghert mit dem Rupp seim Äldeschde?

Noi, hasch jo recht. Von wem a.

Alla, des hat ma sei Fraa erzählt. Der äldeschde Sohn, de Herbert, isch vorgeschdern, als middags die Franzose einmarschiert sin, in Schdiffel und Reiderhos durch Stadt gloffe. 16 isch der Kerle, do kennt ma doch erwarte, dass der bessr uffpassd, oder? S’hert halt ned uff.

Ja, des moin ich a.

Uff jeden Fall hen die den g’sehe und g’moint, des isch e Uniform, die der do oh hat und dass er zum Volkssturm g’hert. Und dann hen s’en verhaftet. Wo er doch nur sei Reidzeig o g’hat hat.

Klar, mit 16 sehn die scho groß aus. Die hen dann wohl halt denkt, dass se doch noch oiner g’funne henn.

Jetz lass me doch emol fertich schwetze. Noi, do isch niemand an de Tür.

Ja, mir schmeggts. Wie lang hen mir koi Aier meh g’habt.

Pass jetzt abba uff.

Die hen den Herbert gepackt und in en Hof neigezerrt. Dort hen sen dann durchsucht und an Wand g’stellt.

Noi, er lebt noch. Jetzt wart halt emol.

Faschd hätte s’en erschosse. Aber sie hen en verhöre gwellt und dann hen se d’Frau Doktor g’holt. Weil die e bissele franzesisch kann.

Wer? Ha, Dr. Carnier.

Dann hen sen ausgfrogt, aber er hat jo nix g’wisst. Un d’Frau Doktor hat dann erreicht, dass die den wieder hen gehe lasse. Hat der e Glick g’het, gell?

Ja, hab ich a g’sagt.

Was? Hat’s Dir g’schmeckt?

Du, do isch jemand drause. Moment!

S’wird Gretl sei. Hoffentlich.

I komm glei, moment!

JA!

Oh Noi! Oh Noi! Babbe, komm schnell. Noi, ned mai Gretl. Jetz isch doch de Kreig vorbei!

Oh noi, noi, noi, …

Was isch denn bassiert?

Noi, ned a noch de Klaus! NOI!

Baide sin dod.

Erschosse. Aber wer soll die denn erschiese?

Wo? In der Schöllbronner Schdroß? Do war die doch gar ned.

Aber wieso war denn do mei Gretl dabei.

Oh noi, noi, noi.

En franzesischer Panzer? Aber wo hen die denn die Panzerfaust her g’het?

Mei Gretl doch aber ned. De Klaus, der hat immer noch sei Gosch ufgrisse. Aber Gretl doch ned. Die war doch froh, dass es vorbei isch.

Gretl hat doch nie eber was getue.

Oh Gott. Mei Kinner. Noi.

Jetzt isch alles vorbei. Un jetzt? Was wird jetzt?