Vorratsdatenspeicherung und ein SPD-Innenminister

Reinhold Gall ist Innenminister in Baden-Württemberg. Reinhold Gall ist in der SPD und er ist in fragen der inneren Sicherheit ein Hardliner. Ein Hardliner in der Tradition von Otto Schily. Anders kann man es kaum mehr betrachten. Dabei schadet er der grün-roten Koalition in Stuttgart mit seiner Haltung und mit seiner Verweigerung, in für uns Grüne erheblich wichtigen Fragen den Koalitionsvertrag umzusetzen. Und aufgrund der von Winfried Kretschmann ausgerufenen „Augenhöhe“ in der Koalition verbietet er sich, in diesen Fragen ins Innenministerium hineinzuregieren (was ihn manchmal nicht davon abhält, im Verkehrsministerium mitzuentscheiden).

Gestern hat der SPD-Parteikonvent die Vorratsdatenspeicherung durchgewunken. 124 der Delegierten stimmten für das Gesetz, 88 dagegen, 7 haben sich enthalten. Ohne die Stimmen der Partei- und Fraktionsführung wäre es noch knapper gewesen. Reinhold Gall musste das natürlich kommentieren, schon lange möchte er, dass Baden-Württemberg die Vorratsdatenspeicherung mitträgt. Und bis heute ist es nicht sicher, ob man in Stuttgart entgegen Fraktion und Partei nicht doch noch umfällt. Er arbeitet hart daran.

Heute morgen dann finde ich in meiner Twitter-Timeline diesen Tweet von ihm:

Es ist seine Haltung in dieser Frage – die grundlegende Haltung zu einem autoritären Staat, der Sicherheit über Freiheit stellt. Gall, der sich bei seinem einem Besuch im Parteirat ganz zahm gab und Verständnis für grüne Positionen äußerte, ist erkennbar einer, der daran glaubt, dass die Polizei immer alles richtig macht, der Staat recht hat und wenn man nur einen schnappt, dafür alle anderen mit unter Generalverdacht nehmen darf. Dass er dies im Vergleich zu Freiheitsrechten, die er als „vermeintlich“ bezeichnet, sieht, macht deutlich, wie sein Verhältnis zu Staat und verbrieften Bürgerrechten ist: ein halbes Bein hat das Grundgesetz schon verlassen.

Das zeigt sich noch in anderen Fragen: Das Alkoholverkaufsverbot auf öffentlichen Plätzen wurde auch von ihm versucht, voranzutreiben. Das konnte aufgrund des starken Widerstands verhindert werden. In Sachen VDS werden wir die Zustimmung, sofern sie nötig ist, im Bundesrat verhindern können. Aber er tut noch weitaus Schlimmeres. Im grün-roten Koalitionsvertrag von 2011 steht das Informationsfreiheitsgesetz. Es wurde für Anfang 2012 versprochen – und seit dem blockiert Gall dieses Gesetz, das den Bürgern

einen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Behörden verschafft. Eine Begründung durch Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Art ist dabei nicht erforderlich. Das widerstrebt ihm natürlich. Und er führt uns am Nasenring durch die Arena. Es kostet uns sehr viel Glaubwürdigkeit bei Bürgerrechtlern, dass dieses Gesetz noch immer nicht umgesetzt ist. Der politische Flurschaden ist immens. Wer’s nicht glaubt, begebe sich einmal auf eine Demonstration und spreche mit den Demonstranten….

Noch schlimmer beinahe ist das Aussitzen des Gesetzes zur Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Gall, der sich im letzten August trotz einer entsprechenden Formulierung im Koalitionsvertrag dagegen ausgesprochen hat, ist im Dezember verbal umgeschwenkt. Umgesetzt ist sie aber immer noch nicht. Wer wie ich in Karlsruhe das teilweise überaggressive Ein- und Angreifen der Polizei bei den Pegidaaufmärschen gesehen und erlebt hat, der weiß, wie wichtig es ist, dass man Polizisten über eine Beschwerde zur Verantwortung für das, was sie tun, ziehen kann.

Ich weiß, ich blogge da nichts wirklich neues – aber eines ist klar: mehr Bürgerrechte gibt es in Baden-Württemberg nur, wenn bei einer möglichen Fortsetzung von grün-rot der Innenminister nicht mehr der SPD angehört. Reinhold Gall ist spätestens mit seinem Twitterbeitrag untragbar geworden.

Update: 17:17 Uhr
Auch Netzpolitik.org berichtet zwischenzeitlich über den Ausdruck „vermeintliche Freiheitsrechte“. Der SWR zeigt die Kritik an dem Tweet auf – auch am Begriff „Kinderschänder“. Der grüne Agrarminister Bonde hat sich laut SWR wohl ein Wortgefecht via Twitter mit Europaminister Friedrich geführt.

 

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