warum ein Mindestlohn notwendig ist

Tag für Tag durchforste ich die Jobbörsen im Internet nach attraktiven Stellen für meine Teilnehmer_innen. Immer wieder sind in den Kursen, die mein Arbeitgeber anbietet, Arbeit suchende Verkäufer_innen.

Euro Schein JörgHeute stieß ich dabei auf eine Stellenanzeige für eine Verkäuferin in einem Tabakladen mit Lotto, angegliedert an einen große Supermarktkette. Die Arbeitsplatzbeschreibung war interessant, die Stelle wurde in Teilzeit angeboten – zu folgenden Konditionen

Teilzeit – flexibel
28 Wochenstunden
Die Stelle ist in Teilzeit 28 Std./Woche oder 14 Std./Woche möglich; bei 400 Euro pro Monat 14 Stunden/Woche, bei 800 Euro pro Monat 28 Stunden/ Woche;
Arbeitszeit/-einteilung flexibel, nach Absprache mit der Arbeitgeberin

Der PC-Rechner vermeldete: ein Stundenlohn von 6,64 €. Ich schrieb die Inhaberin von meinem privaten Mailaccount aus an:

habe gerade Ihre Stellenanzeige gesehen. Der Stundenlohn beträgt 6,64 €. Ich finde, dieser Stundenlohn ist unanständig. Und mit Tariflöhnen im Einzelhandel hat das ganz sicherlich auch nichts zu tun. Anstatt eine Hilfskraft, die Sie offensichtlich suchen und der sie nicht mehr bezahlen wollen, um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, auszubeuten, sollten Sie einen guten Lohn für gute Arbeit bezahlen. Oder halt weniger Stunden arbeiten lassen – ginge ja auch.

 

Der Tarif liegt für diesen Job bei knapp über 9 €. Die Antwort war interessant:

 Ich kann Ihnen sagen, dieser Kiosk ist ein Franchiseunternehmen und die Kosten sind nicht anders tragbar. Wer zwingt Sie sich auf diese Anzeige zu melden und Ihren Müll abzulassen

Ich antwortete noch einmal:

Wenn Sie jemanden nicht bezahlen können, stellen Sie niemanden ein – man unterstützt Sie ja schon dadurch, dass Sie geringere Lohnnebenkosten durch den Midijob haben. Oder reduzieren Sie die Stunden. Vielleicht sind Sie es nicht gewohnt, dass man ein solches Verhalten kritisiert. Es wird Zeit, dass das mehr Menschen tun.

Heute Abend hat sie die Stellen neu ausgeschrieben – in Teilzeit für denselben Hungerlohn – und in Vollzeit – für 7 €/Stunde.

Und genau wegen solcher Menschen braucht es einen Mindestlohn, gesetzlich, flächendeckend. Denn es ist nicht so, wie der CDU-Kandidat im WK 273, Kai Whittaker sagt: Hauptsache jemand hat Arbeit. Nein, es braucht einen fairen Lohn. Und der muss mindestens 8,50 € betragen.

 

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Markus Ritter

In obigem Artikel sind 2 Fehler versteckt:

1.) Bei einem Midijob liegt der *Arbeitgeber*-Anteil an die Sozialversicherung nicht niedriger als bei einer normalen Sozialversicherungspflicht, nur der *Arbeitnehmer*-Anteil liegt in der Gleitzone niedriger. Bei einem Minijob ist der Arbeitgeberanteil sogar höher.

2.) Irgendwie wird davon ausgegangen, dass der Inhaber des Kiosk Millionen scheffelt und einfach nicht mehr bezahlen will, weil er auf den 3. Porsche spart. Der Arbeitnehmer sollte sich selbst tragen können.
Gehen wir mal davon aus, dass der Inhaber nur den gesetzlichen Mindesturlaub von 4 Wochen gewährt und ca. 10 Tage auf bezahlte Feiertag fallen, dann arbeitet der AN 46 * 28 = 1288 Stunden und wird 52 * 28 = 1456 Stunden bezahlt. Nehmen wir mal die 7€ Stundenlohn, dann kostet der AN inkl. AG-Anteil SV, BG und U1-U3 ca. 12’600 €. Der AN muss also pro Stunde ca. 10€ Gewinn erwirtschaften, damit er sich betriebswirtschaftlich lohnt. Die Umsatzrendite unterscheidet sich je nach Lage, aber der AN wird so 150 – 200 € an Umsatz die Stunde machen müssen.

Natürlich kann man jetzt sagen, soll er halt die Preise erhöhen oder den Laden zumachen. Wird ihm dann auch nichts anderes übrigbleiben, wenn der Mindestlohn kommt.

Wie ein Mindestlohn von 10€ (ja ich weiß, ist von der Linken und nicht von den Grünen) bei personalintensiven Dienstleistungen aussieht, habe ich mal hier ausgerechnet:

http://blog.markus-ritter.de/2013/09/05/zum-thema-mindestlohn-nicht-genug-gelabert/

Markus Ritter

Und bei einem normal sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beläuft er sich ebenfalls auf 19,275% (GRV,GKV,GPV,ALV). Beim Midi-Job spart der Arbeitnehmer, nicht der Arbeitgeber. Mini-Jobs, die die Grünen so verteufeln sind damit die Jobs, bei denen der Arbeitgeber die größte Belastung hat. Warum wollt ihr die noch mal wegfallen lassen?

Davon abgesehen, wenn ich wetten müsste, würde ich darauf tippen, dass der Kiosk in 2 Jahren nicht mehr von der gleichen Person geführt wird, weil sich da jemand in die Selbständigkeit geflüchtet hat.

„Was sie machen kann: die Arbeitszeiten so reduzieren, dass ein fairer Lohn rauskommt. Wenn man den von uns geforderten Mindestlohn von 8,50 annimmt, stehen halt nur 94 Stunden im Monat zur Verfügung. Den Rest muss sie selbst machen. “

Prinzipiell eine gute Idee, allerdings nur dann sinnvoll, wenn der Laden auch so viel abwirft.

Sehen wirs doch mal so: Die Chefin trägt das komplette unternehmerische Risiko (und haftet, wenns schiefgeht mit ihrem persönlichen Vermögen), hat keine Absicherung im Krankheitsfall von bezahltem Urlaub ganz zu schweigen. Ist es dann fair, dass sie für die Stunde im Laden 6 € bekommt und ihre Angestellte 8,50 €?

„Soll sie halt den Laden zumachen, wenn er sich nicht rechnet“ …

Genau das wird passieren. Dann haben wir halt 2 Arbeitslose mehr und einen Kiosk weniger.

Wer von Euch hat sich denn z. B. mal mit einem befreundeten Friseur (das sind die anderen, die so mies zahlen) zusammengesetzt, um die Auswirkungen zu betrachten, die der Mindestlohn hat? Wenn ich mir meinen Friseur betrachte, dann bekommt er vermutlich pro Stunde mehr Trinkgeld als Nettolohn (Das ist halt prinzipiell Schwarzgeld, brutto für netto, nicht belastet mit staatlichen Zwangsabgaben in Höhe von ca. 50%).

Ein Teil der Niedrigjobs wird in die Schwarzarbeit gehen (alles was personalintensiv ist, wie Garten- und Hausarbeit, Babysitten, …) ein Teil wird das über steigende Preise an Endverbraucher weitergeben können, ein Teil wird das über sinkende Unternehmensgewinne abfangen können und ein Teil wird schlicht den Laden zumachen. Fraglich ist nur, wie hoch die einzelnen Prozentsätze sind.