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Zeugnistag – Wertschätzung statt Noten

Das Zeugnis einer Freien Schule unterscheidet sich fundamental von dem einer konventionellen Schule. Am Ende der 10. Klasse braucht es beides – die allerersten Zensuren im Schulleben und eine Rückmeldung, die das alles in den richtigen Rahmen setzt.

Sohn 4 war 9 Jahre auf der Freien Aktiven Schule in Karlsruhe und hat in diesen Tagen als externer Prüfling an einer regulären Werkrealschule seine Prüfung abgelegt. Sein Notendurchschnitt war unter 1,5, ihm stehen alle Wege offen, die er von nun an gehen möchte und seine Wunschschule hat ihn aufgenommen. Er hatte bis zur 6. Klasse überwiegend freies Lernen, nach eigenen Wünschen, neben täglich zwei (Schul-)Stunden „Fächerzeit“ – Deutsch, Englisch, Mathe. Freies Lernen, schreiben, wenn schreiben dran ist, Lesen, wenn Lesen dran ist, Rechnen lernen im eigenen Tempo, andere Inhalte nach Interessenlage, als Angebot.  An warmen und heißen Tagen viel Aufenthalt im Freien auf dem Schulgelände, Fußball spielen, auf Bäume klettern, arbeiten im Bauwagen, Kochen, Musik machen, Ausprobieren, Videos drehen, Unsinn machen, Lachen, Spielen, Tun. Von 8:30 bis 13:00 Uhr.

Ab Klasse 7 intensive Vorbereitung auf die später abzulegende Prüfung, mit Nachmittagsunterricht zweimal die Woche. Mit Lernbegleitern auf Augenhöhe und per „Du“, natürlich in einer sehr kleinen Einheit im Vergleich zu Schulklassen an konventionellen Schulen.

Die Leistungen aller waren sehr gut, sie sind – wie jeder Jahrgang vor ihnen – aufgefallen in den Prüfungen, als wissend, selbstbewusst, klar, offen, gut vorbereitet, motiviert.

Einsen und Zweien haben einen Wert – und der Wettkampf um die besten Noten (ich war doch das ganze Jahr besser als der in XYZ) vorhanden – aber doch nicht so relevant.

Wichtiger war und ist die Rückmeldung der Schule, so, wie sie es all die Jahre gekannt haben anstatt bewertet zu werden. Damit man sehen kann, was es bedeutet, wenn die Leistungen wertgeschätzt und nicht bewertet werden, habe ich (mit seiner Erlaubnis) hier zwei Auszüge aus den Rückmeldungen:

 

Kinder werden stark, wenn sie erfahren, dass das was sie tun, okay ist. Nicht, wenn sie dafür gelobt werden, sondern ohne Wertung beschrieben wird, was sie können. Kein „du hast das gut gemacht“, sondern „du hast Dir angeeignet“ und ähnliche Formulierungen. Natürlich wird ihnen gesagt, wie die Noten wären, hätten sie ein Prüfungsarbeit abgeliefert – das hilft in Hinblick auf die Vorbereitung zur Prüfung. Bis dahin hatten sie nie Noten. Und trotzdem haben sie alles gelernt, was wichtig war für die Werkrealschulprüfung.

Unser Sohn weiß im Großen und Ganzen, was er weiterhin möchte – für sich. Er hat sich für die weiterführende Schule entschlossen, für eine seiner Wahl – obwohl wir Eltern vermutlich eine andere Schule für ihn gewählt hätten. Er möchte (noch) keine Ausbildung machen.

Ich wünsche jedem Kind, dass es eine solche Schule besuchen darf. Ich wünschte, dass mehr von diesen Elementen in die reguläre Schule einfließen – und sie nicht durch Lehrende ad absurdum geführt werden, in dem sie Smileys statt Noten vergeben. Ich wünsche mir Wertschätzung für alle Schüler*innen – statt einen Überlebsnkampf in der Aussortierungesmaschine. Eine Schule für Alle bis zur Klasse 10. Ohne Noten, ohne Klassenarbeiten. Mit viel Freiraum bis Klasse 6. Ein gutes System.

Nicht verschweigen darf man, dass auch dieses System einer permanenten Evaluation bedarf, einer Beobachtung und Rückmeldung, Verbesserung und Anpassung. Nicht alle Kinder sind gleich, haben unterschiedliche Bedürfnisse. Eine Schule, die wertschätzt anstatt wertvolle Zeit mit Leistungsüberprüfungen zu vergeuden, kann das.

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