Boykott Til Schweiger?

Ja, wie soll das gehen?

Ich seh Til Schweiger ja eigentlich nicht so gerne. Entweder ne Hollywoodschnulze oder eben Infofernsehen. Oder „schweres“ deutsches Kino. Aber ab und zu will man sich abends einfach nur auf die Couch setzen, ein Glas Wein und ein paar Salt & Vinegar-Chips neben sich und einfach mal die Seele baumeln lassen – Fernsehen konsumieren und dabei so wenig wie möglich denken.

Gestern abend zum Beispiel. Meine Frau hatte Chorkonzert wegen US-amerikanischem Freundschaftsbesuch beim Gesangsverein, ich kaum zu  Hause hatte die Kinder – und das nach einem langen Tag gestern. Um viertel nach acht saß ich endlich in einem stillen Haus auf dem Sofa und zappte – um bei Til Schweiger hängen zu bleiben – Männerherzen heißt der Film. Deutsche Komödie, ein paar Schmunzler, ein paar Lacher, ein paar schlechte Witze und oft genug Til Schweiger zwischendrin. Tja, und eigentlich wollte ich wegschalten. Und zwar deshalb: (tw. aus dem offenen Brief kopiert)

Schweiger hat am 09.11, an den Charles Vögele Fashion Days in Zürich seine Männer-Modelinie präsentiert. Ein Viertel aller Charles Vögele-Produkte kommt aus Bangladesch – auch Hosen, die er entworfen hat. Der monatliche  Mindestlohn in Bangladesch beträgt 34 Franken – eine Familie braucht aber alleine für Lebensmittel gut 50 Franken im Monat. Das führt dazu, dass die Menschen regelmässig mehr als 12 Stunden am Tag arbeiten, um ihre Familien ernähren zu können. Ein Lohn von nur 147 Franken würde die Existenz der meisten Familien sichern.

In der Schweiz investiert Charles Vögele Millionen in eine Fashion Show, weigert sich aber gleichzeitig, in asiatischen Kleiderfabriken existenzsichernde Löhne zu garantieren.

Diesen Brief kann man selbst wegschicken und bekommt dann diese abenteuerliche Antwort:

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich Herr Schweiger als Werbebotschafter und Designer der Charles Vögele Trading AG keine Meinung zu operativen Fragen des Managements bilden kann und somit auch nicht in der Lage ist, hierzu Position zu beziehen.

schreibt mir Maximiliane Rinninger von der  Fred Kogel GmbH in 82031 Grünwald, die sich um die Geschäfte und Angelegenheiten von Til Schweiger kümmert.

Ich bin platt. Selbst aktiv in der Modebranche will Herr Schweiger nichts  wissen von Ausbeutung, unmenschlichen Arbeitsbedingungen und Hungerlöhnen? Als hätte es nie die Erklärung von Bern gegeben, nie einen Film über KIK,

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=e2L8N6uNxW4[/youtube]

nie Berichte über die Folgen von Jeansbleiche mittels Sandstrahlen, ….

Tja, da ist der Herr Schweiger vermutlich schlicht ignorant gegenüber der existenziellen Nöte, die er mit seiner Kleidung mit schafft, für die er mit verantwortlich ist. Ob das die Werte sind, die er seinen Kindern vermitteln will? Oder sammelt er zusammen mit BILD das nächste Mal auch 13,5 Millionen – für Kinder in Bangladesh, die oder deren Eltern bei der Produktion seiner Klamotten ausgebeutet werden?

Schlicht zum Kotzen ist es,

dass sich Herr Schweiger als Werbebotschafter und Designer der Charles Vögele Trading AG keine Meinung zu operativen Fragen des Managements bilden kann und somit auch nicht in der Lage ist, hierzu Position zu beziehen.

Ich hab den Film dann trotzdem gesehen. Ins Kino werd ich aber nicht gehen. Til Schweiger gibts bei mir wie eh und jeh nur im Free-TV – wenn überhaupt noch.

P.S.: die Charles Vögele GmbH etc. hat doch noch Stellung genommen (PDF), was sie alles so Gutes tut in der Welt.

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Stefko

Ahoi,
Leider betrifft dies aber nicht nur Bangladesch und vergleichsweise „hochpreisige“ Kleidung sondern auch (z.B.) Indien und vor allem billig Produkte Marke Ausverkauf und Krabbeltisch. Da ist es nicht leicht, sich seine Klamotten mit einem „guten Gewissen“ zu kaufen.
Zum Thema TV fällt mir ein, dass es zu dem Thema eine mMn sehr gute britische Doku gibt, „Blut, Schweiß und T-Shirts“.
„Sechs Fashionvictims reisen nach Indien. Einen Monat leben und arbeiten sie mit den Billiglohnarbeitern in den Textilfabriken und werden zum ersten Mal in ihrem Leben mit den Bedingungen konfrontiert, unter denen ihre Kleider hergestellt werden.“

Das waren mal vier sehr eindrucksvolle Stunden vor der Glotze 😉

Läuft immer mal wieder auf zdf_neo oder ist auch in der ZDF Mediathek zu finden.

Grüße

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[…] des Vereins hergibt. Schweiger, der Modedesigner ist, dem es aber egal ist, ob seine Klamotten in ausbeuterischer Kinderarbeit produziert […]

[…] ich habe im November 2011 einen Artikel über Schweiger geschrieben, in dem ich ihn wegen seines fehlenden Bewusstseins gegenüber ausbeuterischer Arbeit […]