4,9%, halbiert, auf die Stammwählerschaft zurückgeworfen, in den Bundestag dank dreier Direktmandate gerade noch so gerettet. Man sollte meinen, einer Partei, der sowas passiert, die setzt sich hin, mit ihrer Basis, und analysiert, hört zu, denkt nach, zieht vielleicht sogar personelle Konsequenzen.
Die LINKE macht erst einmal weiter wie bisher. Der Fraktionsvorstand im Bundestag ist derselbe wie bisher. Warum auch was ändern – bei denen, die am ehesten wahrnehmbar sind im Land und damit einen Großteil der Kommunikation nach außen bestimmen? Auch der Bundesvorstand – bislang hört man wenig bis nichts. Alle Personen machen weiter, die Kampagne scheint nicht überdenkenswert. Tja – und Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine – die machen auch weiter. Als wäre nichts gewesen.
Warum sollten sich also zukünftig wieder mehr Menschen für die LINKE entscheiden – wenn doch alles so bleibt wie es ist? Welches Signal erhalten ehemalige und potentielle Wähler*innen, dass sich die LINKE das Ergebnis zu Herzen nimmt? Wo bleibt das „Wir haben verstanden“? Zumindest ein „Wir haben noch nicht alles verstanden, aber wir machen uns auf den Weg“? Bisher: Leider Fehlanzeige.
Von oben nach unten, nach außen und überhaupt wird das kommuniziert, was man schon am Wahlabend gehört hat (und das Wording für uns war, falls wir gefragt würden)
Gründe liegen nicht in den letzten Wochen. Sie liegen in den letzten Jahren. Dafür tragen wir alle gemeinsam die Verantwortung. Wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam.
Mit einer solchen Formulierung muss niemand persönlich Verantwortung übernehmen. Auch die, die vor allem Verantwortung tragen, bleiben an den Fleischtöpfen, in Verantwortung, am Zuge.
Aber wo ist denn das „Gemeinsame“? Wir haben nicht „gemeinsam“ verloren – sondern wir haben verloren, weil wir es zulassen, weil zugelassen wird, dass gegen das, was basisdemokratisch beschlossen wurde – Grundsatz- und -wahlprogramm – öffentlich von mehr oder weniger bekannten Linken permanent als falsch, nicht ausreichend oder gar unnötig klassifiziert wird.
Natürlich ist an vorderster Front hier die Causa Wagenknecht zu nennen, die mit ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ mitten in den anstehenden Bundestagswahlkampf hinein eine Kampfschrift gegen das gerade beschlossene Bundestagsprogramm veröffentlicht hatte. Als wäre das nicht schon absurd genug, wird sie zum Dank dafür vom Landesverband NRW zur Spitzenkandidatin gekrönt – und nutzt diese Bestätigung ihrer Positionen, um Wahlkampf nur im eigenen Sinn und gegen die eigene Partei zu machen. Medien, Talkshows, Zeitungen – sie alle sind erfreut über so viel „Debatte“ und laden sie munter zu Interviews und Statements ein – in denen sie weiter ihre Thesen vertritt.
Ihr Ehegatte, Oskar Lafontaine, ruft auch in ihrem Namen dazu auf, die LINKE (im Saarland) nicht zu wählen. Weil der Spitzenkandidat angeblich Stimmen gekauft hätte. Und außßerdem ein paar vorgeschobene Gründe:
Jeder, der bei der kommenden Bundestagswahl im Saarland bei der Zweitstimme DIE LINKE ankreuzt, stimmt für den Kandidaten Lutze und damit für eine Politik und ein Verfahren innerparteilicher Willensbildung, die von Sahra Wagenknecht und mir grundsätzlich abgelehnt werden.“
Natürlich sekundieren ihm andere saarländische Fraktionäre wie Jochen Flackus, der dann öffentlich die Zulässigkeit der Bundestagsliste der LINKEN in Frage stellt.
Ja, das ist „nur“ das Saarland – aber natürlich haben Äußerungen des schillernden Oskar Lafontaine eine bundesweite Ausstrahlung und wurde entsprechend wahrgenommen.
Als wäre das alles nicht schon genug, werden die beiden von der Bundesvorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow zu gemeinsamen Wahlkampfveranstaltungen eingeladen.
„Sie und ihr Mann würden nach Weimar kommen, um für Hennig-Wellsow und die Linke in Thüringen zu werben. „
Interessant ist dann ja immer, was da genau gesagt wird. Also, sie haben nicht für die LINKE geworben – sondern für die in Thüringen, genauer gesagt, sogar nur für die in Weimar.
Man sollte meinen, dass sie an irgendeinem Punkt die Partei wehrt. Sechs Mitglieder haben, nachdem nun jahrelang die Umarmungsstrategie jedes Mal schief ging, mit #Aufstehen versucht wurde, eine neue Partei zu gründen, was gründlich schief ging und offen rechte Positionen vertreten wurden, sich versucht dem entgegen zu stellen und haben einen Ausschlussantrag gegen Wagenknecht und Lafontaine gestellt. Das Verfahren gegen Wagenknecht ist soweit abgeschlossen, die Begründung der Landesschiedskommision ist eindeutig:
Wagenknecht hat der Linken »schweren Schaden zugefügt, darf aber bleiben
denn:
Verantwortung habe ebenso die Partei, »die seit vielen Jahren den mit zunehmender Härte geführten Konflikt« um Wagenknechts Ansichten nicht politisch löse, sondern verschleppe.
Das gesamte Dokument befindet sich hier: Ausschluss Wagenknecht Begründung der Ablehnung
Man müsste jetzt annehmen, dass man in den Vorständen an einer Analyse interessiert wäre. Hören möchte, was man an der Basis denkt. Sich dran macht, das Programm zu verteidigen, schaut, warum man nicht klar machen konnte, dass der Kampf gegen den Klimawandel auch und natürlich zuvorderst eine soziale Frage ist.
Das tut man aber nicht. Mein eigener Kreisverband will bis Ende November warten. Der Landesverband hat eine Videokonferenz gemacht – ich hatte nicht den Eindruck, dass man Interesse daran hätte, Fraktur zu reden. Der Bundesverband hat ebenfalls eine Videokonferenz gemacht – dort hat man eher versucht, über technische Dinge zu reden. Erst am Ende war Raum für Debatte – aber diese war sehr knapp bemessen. Nein, man will die Auseinandersetzung offenbar nicht – und doch ist sie überfällig und nötig.
„Gemeinsam“ als Losung reicht nicht – das haben die Grünen mal gemacht und daran ist die Breite der Programmatik zugrunde gegangen und am Ende war jede*r, der*die Kritik geübt hat, mehr oder weniger Nestbeschmutzer*in. Ich hatte das am Rande des damaligen Parteitags kommentiert.
Was nötig ist, ist der Blick darauf, warum wir nicht durchgedrungen sind. Dazu gehört natürlich der Blick auf die Kakophonie, dazu gehört der kritische Blick darauf, warum es nicht gelungen ist, den Beschluss zur Sicherung des Flughafens in Kabul vernünftig zu kommunizieren. Das kann man ja nur sagen: das war nicht vorbereitet. Am Ende lief es darauf hinaus, dass die Wahrnehmung war: die LINKE hat sich aus Prinzip geweigert, Menschen in höchster Not zu retten. Der Antimilitarismus war wichtiger als in der konkreten Situation, Menschen zu retten. Man kann sich sicherlich enthalten oder besser noch mit „Nein“ bei dem konkreten, schlechten Vorschlag der Bundesregierung – aber dann muss sagen, was man sonst tun möchte und dieser Vorschlag muss etwas enthalten, was die Menschenleben sichert.
Die aktuellen Verlautbarungen aus Fraktion und Vorstand allerdings sind nicht die Lösung. Die geschrumpfte Bundestagsfraktion möchte die Politik der LINKEN auf angebliche Kernthemen verengen. Also: nur die Stammwähler*innen haben uns gewählt, also machen wir auch nur noch Politik für die von denen, dass wir annehmen, dass sie es sind.
Das, was da aus der Fraktion kommt, ist letztendlich eine Unterwerfung unter die Thesen von Sarah Wagenknecht. Und die hat: „der Linken »schweren Schaden zugefügt“. Was man dann von diesem Papier, das den Rahmen der Bundestagsfraktion in den nächsten 4 Jahren skizzieren soll, auch so behaupten könnte. Wirklich wissen, warum und wie diese nur 4,9% zusammen gekommen sind, will wohl wirklich kaum jemand von den Entscheidenden in dieser Partei. Denn das würde wohl bedeuten, dass man die eigenen Arbeit in Frage stellen müsste.
Irgendwie ist das auch in jeder Partei gleich.
Es wird Zeit, dass die linke Basis – sich den Laden zurückholt. Es gibt viel zu tun.