Eltern in der Politik

Es gibt Dinge in der Politik, da komm ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Eltern in der Politik ist so eine Initiative.

Die Fraktionen des Deutschen Bundestages und aller Landtage, unsere Parteien von der Bundes- bis zur Gemeindeebene und alle Mandats- und Amtsträgerinnen und -träger Deutschlands sind eingeladen, sich öffentlich selbst zu verpflichten, achtsam mit den familiären Belangen der Menschen, die sich politisch engagieren oder die im politischen Bereich arbeiten, umzugehen.

Heute konnte ich lernen, dass die Reihenfolge kein Zufall ist.

Es folgte eine weitere Debatte, unter anderem mit Till Westermayer und Daniel Holefleisch

elternsonntagfrei

Franziska befürwortet, dass auch unsere Parteitag nicht mehr an Sonntage stattfinden sollten – analog zum Vorschlag von Kristina Schröder für die CDU. Wohlgemerkt: die CDU tagt Montag und Dienstag, sonntags tagt bei denen nur Vorstand und Präsidium.

Unsere (Bundes-)Parteitage finden von Freitag bis Sonntag statt – und die Zeit ist immer zu knapp. Eine ganze Reihe von Anträgen wird schon nicht mehr behandelt, sondern über dien Scoring-Verfahren ausgewählt – die Anliegen der Anträge, die keine ausreichenden Stimmen bekommen, werden zumindest in den Fachgremien behandelt. Liese man also den Sonntag weg – dann müsste man von Donnerstag bis Samstag tagen. Das ist äußerst arbeitnehmerunfreundlich.

Keine Frage, Politiker*innen arbeiten sehr viel, bis zu 16 Stunden/Tag in den Sitzungswochen, außerhalb derer mit vielen Abendterminen. Und auch da haben sie doch einiges an Wochenendterminen zu absolvieren. Wenn man kleine Kinder hat, ist das schwer miteinander zu vereinbaren.

Nur: es wurde ja niemand in den Bundestag gezwungen. Und: all die anderen Menschen da draußen, die ehrenamtlich Politik machen, die haben das selbe Problem. Und da sehr viele von ihnen eine Arbeitsstelle haben, können sie nicht einfach so unter der Woche mal nen freien Tag einplanen, um das auszugleichen oder halt erst um 11 Uhr anfangen zu arbeiten – nein, die meisten, die eine reguläre Arbeitsstelle außerhalb der Politik haben, haben eine 40-Stunden-Woche – und auch Familie und dann eben noch Wochenendtermine – denn wann bitte soll man mal ausgiebig politisch diskutieren, Programmentwürfe lesen, Anträge schreiben, sich in Themen einarbeiten? Viele Landes- und Bundesarbeitsgemeinschaften finden an Wochenenden statt – und die Abgeordneten, die dann mit der Basis diskutieren könnten, die wollen dann frei haben? Das kann’s ja irgendwie auch nicht sein! Abgeordnete sind privilegiert, verdienen viel Geld, können ihre Zeit einigermaßen frei einteilen und haben auch lange sitzungsfreie Zeiten in den Ferien – wofür normale Arbeitnehmer immer einen hohen Organisationsgrad benötigen, um die vielen Ferienwochen mit 24 Tage Mindesturlaub (oder manchmal auch ein paar Tage mehr) zu vereinbaren. Abgeordnete haben Geld genug, sich zumindest einen Babysitter zu organisieren und ihn gut zu bezahlen.

Ja, ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach ist – aber wer denkt an die Basis? Und wer denkt an all die Leute, die Partner*innen haben, die keinen Bock haben, in irgendeiner Stadt zu sein am Wochenende oder sonstwo, weil der/die Partner*in Politik „macht“? Weil sie eben keine Politik machen? Wo auch das Wochenende zur Erholung da ist?

So sehr ich verstehen kann, was diese Initiative bezwecken will – so wenig ist sie geeignet, dem Problem gerecht zu werden, das Ehrenamtliche haben. Da kann man nur sagen: Augen auf bei der Bewerbung um ein Mandat!

Ja, Bildungsurlaub, Franziska. Nach einem Jahr Wartezeit! Und wie lange hat es gedauert, das überhaupt durchzusetzen! Und ich bspw. bilde mich beruflich fort an sechs Wochenenden im Jahr plus Zusatztermine – ich muss auf jeden Fall Jahresurlaub, den ich auch für Zeiten mit meinen Kindern benötige, nehmen. Offenbar ist der Elfenbeinturm sehr hoch, in dem die Unterzeichner*innen der Initiative sitzen. So hoch, dass sie nicht sehen können, wie sehr sie die Arbeit von Ehrenamtlichen entwerten. Ich bin im Gemeinderat – ich hab auch ab und zu Wochenendtermine. Ich war jetzt 16 Jahre lang hyperaktiv in der grünen Partei – ohne meine Frau wäre das mit Kindern nie möglich gewesen. Da muss man dann halt sagen: ich mach Politik, der Partner*in hält mir den Rücken frei. Das sollte gehen mit der Höhe der Diäten und sonstigen Einnahmequellen. Und wer die Zeit mit den Kindern vermisst – der muss halt was anderes machen oder damit leben. Diejenigen, die in diesem Land prekär in mehr als einem Job arbeiten, denen geht da auch so – nur haben sie halt keine Wahl.

Kein Mitleid von mir. Und keine Unterstützung für diese Initiative. Denn sie ist ein Zeugnis davon, wie wenig man begreift, was ehrenamtliche Arbeit in Parteien ist, was sie die Ehrenamtlichen kostet, was diese aber aus Herzblut bereit sind zu geben und wieviel sie tun – in ihrer Freizeit. Für Dinge, die Abgeordnete letztendlich bezahlt bekommen. Diese Initiative ist in meinen Augen ein Affront gegen alle, die genau das tun – Politik um der Sache willen. Wer das im Mandat nicht hinbekommt – soll das Mandat niederlegen und was anderes machen. Tut vielleicht offenbar mal ganz gut.

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