Halbzeit – Endzeit?

ampelmannIch hadere wie seit langen nicht mehr mit meiner Partei. Seit der BDK13 sind ein paar Tage vergangen und noch immer hat meine zornige Rede (es gibt keinen Redetext, ich hab sie frei gehalten und leider hab ich noch kein Video davon, bemühe mich aber weiterhin darum) ein paar Schwingungen, die ich zwar so erwartet habe – aber leider merke ich, dass ich mich noch immer nicht ganz beruhigt habe. Ich schaue nicht nur skeptisch, sondern ein wenig überkritisch auf das, was vor allem im Landesverband Baden-Württemberg passiert. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass ein aufgebrachter Winfried Kretschmann versucht hat, mich nach der Rede wenige Meter vom LV NRW entfernt zusammenzustauchen. Es war ein eindeutiger Versuch, mich klein zu machen. Während der rund 5 Minuten hat er laut geredet, mich permanent unterbrochen, herumgefuchtelt, mir keine Sekunde lang zugehört. Er hat mir seine Wahrnehmung der Dinge um die Kritik, die von Boris, ihm und Dieter Janecek aus Bayern – das sind die drei, die ich in der Rede benannt habe – am Steuerprogramm versucht, in den Kopf zu schreien. Leider bin ich weder ängstlich noch für sowas empfänglich – ich lass mich gerne überzeugen, aber nicht zusammenschreien. Kein gutes Beispiel für die Politik des Gehörtwerdens – die wohl nur für ausgesuchte Politikfälle gelten soll und innerparteilich gar nicht. Winne Hermann meinte hinterher, dass ich kaum davon ausgehen kann, dass ich Leuten auf die Füße treten und ihnen noch vor die Füße spucken kann und trotzdem für nett gehalten werden kann. Nunja, ich trenne innerlich die Kritik am Verhalten der Person von der der Person selbst – will heißen, in der politischen Auseinandersetzung kann es auch mal spitz oder in klaren Worten zugehen – hinterher sollte man immer noch gemeinsam ein Bier trinken können. Das schaffen andere offenbar nicht. Und vor allem glauben mir das genau die, die das nicht schaffen, nicht. Selten wurde mir das so klar wie nach dieser BDK.

Zur Wahlanalyse hat aber denke ich, Steffi Lemke das gesagt, was gesagt werden musste. (keine Ahnung, warum der Youtuber alle Reden hier verlinkt, aber ihr könnt ein paarmal auf nächsten Beitrag klicken, dann hört ihr Steffi)

Zurück ins Land. Kretschmann hat jedenfalls einen langen Brief geschrieben, mit der er seine (also die Sicht der Regierung) auf die Bilanz der grün-roten Regierung zieht. Selbstverständlich eine positive Bilanz, ein wenig Selbstkritik – nicht alles geht, manches geht langsamer, aber wir haben ja auch noch viel vor – die ich auch größtenteils teile. Und Winfrieds Verdienste um die Endlagersuche können gar nicht hoch genug geschätzt werden. Hier hat er einen gordischen Knoten durchschlagen.

Was bleibt ist dieses Gefühl des Unwohlseins – zu vieles ist ungereimt. Die Bildungspolitik wird gelobt – wiewohl sie der Teil der Landespolitik ist, der am stärksten in der Kritik steht. Dabei sind die Anwürfe der Opposition kaum ernst zu nehmen.Aber eigentlich müsste über dem Brief als allererstes stehen: wir sanieren den Haushalt. Nun, das ist notwendig, schließlich waren wir da auch immer für – aber diese widerstandslose Unterwerfung unter die Schuldenbremse tut schon weh. Vor allem, wenn im gleichen Atemzug Steuererhöhungen auf Bundesebene widersprochen werden. Zumindest solchen, die die „Wirtschaft“ treffen (wobei es ja vor allem die Unternehmer_innen und Geschäftsführer und ihre persönlichen Einkünfte waren, die wir gemeint hatten). Die Schuldenbremse ist faktisch falsch. Besser wäre es gewesen, Ausgabenbereiche davon auszunehmen und vor allem darum zu kämpfen – wie die Bildung.

Da ist einerseits der Stellenabbau bei den Lehrer_innen. Die demokraphische Rendite wird kaum reinvestiert. Es wird argumentiert, dass wir 20% weniger Schüler_innen haben  werden und nur 10% der Lehrer_innenstellen abbauen. Das mag richtig sein, aber ein einfaches Verständnis der Grundrechenarten hülfe. Wenn 20% weniger Schüler_innen über das Land weniger da sind – so sind das bei einem Klassenteiler von 30 maximal 6 Schüler_innen weniger. Das bedeutet, dass   Lehrer_innenstellen frei werden, mindestens 4 Klassen bestehen müssen. Größere Klassenteiler würde man kaum in Kauf nehmen. Das heißt aber auch: in allen Schulen, in denen keine 4 Klassen eines Jahrgangs bestehen, kann nicht ein Lehrer_instelle abgebaut werden, ergibt sich keine Rendite. DASs Gemeinschaftsschule eher Schulstandortsicherungsmaßnahme ist als eine neue Bildungspolitik kann ich am eigenen Ort wahrnehmen – meine Kinder werden wohl weiterhin zur FASKA gehen. In der Debatte um die Abschaffung des Sitzenbleibens hat man gut gemerkt, wie mutig unseres Bildungspolitik tatsächlich ist. #nicht. So bleibt die Demütigung weiterhin  bestehen und dass der MP meint, das „solle man nicht so ernst nehmen“ zeigt von wenig Fingerspitzengefühl.

Dann ist da die Sache mit den Studiengebühren. Die Ministerin war schon immer gegen die Abschaffung der Studiengebühren. Nun sind sie doch im Koalitionsvertrag gelandet und wir haben sie abgeschafft – was richtig war. Im Sommer, mitten im Wahlkampf jedoch, überraschte uns erst die Fraktionsvorsitzende Sitzmann mit Plänen für Studiengebühren für Nichteuropäer – und jetzt aktuelle im Entwurf des Landeshochschulgesetzes findet sich der Plan, Gebühren, bspw. für Eignungstests von einer Kann-Bestimmung in eine verpflichtende Gebühr umzuwandeln. Eine Studiengebühr durch die Hintertür sozusagen. Das mag etwas pointiert formuliert sein – aber letztendlich ist es so. Oder wie Campusgrün es formuliert:

„Wenn wir damit beginnen, flächendeckend und verpflichtend kostenpflichtige Eignungstests für Studienbewerber*innen einzuführen, werden sich viele in Baden-Württemberg um kein Studium oder nur noch um ausgewählte Hochschulstandorte bewerben können.

Das sind nur die Punkte, die mir akut zu schaffen machen. Die Bürgerbeteiliugung ist beim Nationalpark gut umgesetzt worden, trotzdem bleibt verbrannter Boden und man weiß nicht so recht, wie man das hätte verhindern können. Das ist das nach wie vor fehlende Informationsfreiheitsgesetz, das uns als Bürgerrechtspartei eigentlich auf den Nägeln brennen sollte. Da sind in meinen Augen Versäumnisse in der Asylpolitik, bis hin zur Verharmlosung der Situation der Roma im Kosovo, die mit allem Recht viel Kritik in der Bundespartei gesorgt hat. Von der Zivilklausel will ich gar nicht reden, ein unerträgliches Geschehen. (dazu findet sich kein Wort im Brief vom MP).

Die absehbare Neuwahl des Landesvorstands tut dann ihr Übriges. Der Realoflügel wird im Parteirat nicht durchzocken, warum auch. Der linke Flügel wird  eingebunden bleiben, ich wette aber darauf: vor allem durch die Fraktionen. Mich würde es kaum wundern, wenn kaum ein linker oder ungebundener Basisvertreter_in weiter im Parteirat verbliebe. Aber selbst wenn – der zukünftige Geschäftsführende Landesvorstand ist durch den Weggang von Harald Dolderer, der als Schatzmeister sich an die Neutralität weitgehend gehalten hatte,  zukünftig vom Realolager dominiert. Das Tagesgeschäft wird also zukünftig auch in der Partei von denen formuliert werden, die sich weitgehend mit dem einverstanden erklären, was in Fraktion und Regierung passiert – schließlich ist das dass, was „real“ möglich ist. Visionen für eine emanzipatorische Politik vermisse ich.

Ob ich dafür weiterhin zur Verfügung stehen möchte, also den Wunsch habe, den ich mit meiner Bewerbung ausgedrückt habe, daran zweifle ich. Ich befürchte und nehme wahr, dass der Einfluss des Parteirats schrumpft. Kretschmann äußert sich so (in Frage der Trennung von Staat und Kirche):

„Wenn ich nicht aufpasse, fasst meine Partei immer laizistische Beschlüsse“

Nun, das gilt auch für andere Beschlüsse. Was das für das Parteiprogramm bedeutet, mag ich mir derzeit nicht auszumalen. Insofern könnte das Zeichen, dass man nicht immer selbst alles machen muss, vor allem, wenn es nichts zu machen gibt, immerhin eines sein. Ich weiß es nicht – aber es ist ja noch ne Woche hin 🙂

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Horst

Lieber Jörg,

Dieter Janececk ist ein Karrierist, der nur bei uns Grünen ist, um Berufspolitiker zu sein. Jetzt hat ers auch noch geschafft und ist MdB. Palmer und Kretschmann sind Realpolitiker, die wirklich Stimmen ziehen können. Das kann Janececk nicht. Lass ihn mal bei einer OB-Wahl antreten. Er wird abstinken wie nochmalwas.

Palmer ist leider ein wenig übereifrig und Kretschmann hat Angst vor der nächsten Wahl. Unser „linkes“ Programm war gut. Linke Inhalte gewinnen. Siehe Ströbele.