denn ich lebe in einem der reichsten Länder der Welt. Ich habe nichts dafür getan, es ist einfach so. Ich bin hier geboren.
Schaue ich aktuell in die Ukraine, nach Afghanistan, in den Irak oder nach Israel/Palästina, so muss ich feststellen, dass ich auch das Glück habe, in Frieden zu leben. Ich kenne Krieg nur aus dem Fernsehen, als Spielfilm wie „Im Westen nichts Neues“ , als Dokumentation oder in den Nachrichten. Und ich kenne Krieg im beruflichen Zusammenhang, wo ich hin und wieder mit Menschen zu tun habe, die aus dem ehemaligen Jugoslawien hierher migriert sind. Einer dieser Menschen, bei denen man den feinen Kerl erkennen kann, der in ihm steckt, säuft sich tot. Wegen dem, was er erlebt hat und sehen musste, in diesem unnötigen Krieg. So wie jeder Krieg unnötig ist.
Ich habe fünf Söhne, alle gesund. Ja, ich mach mir um jeden meine Sorgen – aber im Großen und Ganzen läuft alles irgendwie gut. Meine Eltern leben noch, ich hab gutes Verhältnis zu meinem Bruder und zu seiner Familie. Ich bin zum zweiten Mal verheiratet. Außer dem Verkehrsunfall des heute Zehnjährigen im letzten Jahr und dem Tod meiner Exfrau bin ich von schweren Schicksalsschlägen verschont geblieben.
Ich lebe in einem freiheitlichen Land. Ich darf frei meine Meinung sagen, mich politisch betätigen, ich darf Polizisten widersprechen und kann mich gegen alles und jedes notfalls juristisch wehren. Wir haben beide Arbeit, unser Einkommen ist so einigermaßen – aber doch so gut, dass wir es uns gerade so leisten können, zwei Kinder auf eine freie Schule zu schicken, uns überwiegend regional und bio zu ernähren und trotzdem es irgendwie hin bekommen, einmal im Jahr auf einen Campingplatz im Süden Europas zu fahren. Wir haben ein Reihenhaus und im Grunde genommen geht es uns gut – wir müssen nicht hungern, nur ab und an und öfter, als uns lieb ist, Dispozinsen bezahlen.
Ja, es gibt vieles, was auch in diesem Land und erst recht auf der Welt zu ändern wäre, sie zu einem besseren Ort zu machen. Aber insgesamt muss ich sagen: ich habe Glück. Manches hängt damit zusammen, dass ich und dass wir Fähigkeiten haben, die uns einiges ermöglichen. Aber ich hatte auch das Glück, in einem Land zu leben, wo ich mich so entwickeln und entfalten konnte, wie ich wollte.
Und ich finde – das sollte man sich ab und an bewusst machen. Bei allem, was man zu Recht kritisieren kann. Verglichen mit dem Rest der Welt leben wir hier in diesem Land gut. Das kann man einfach mal so ganz isoliert betrachten. Wir haben einfach Glück gehabt, hier geboren zu sein. Kein Grund, stolz darauf zu sein. Sondern ein Grund, dankbar zu sein. Und möglicherweise ein Grund, sich dafür einzusetzen, dass es allen Menschen so gehen kann. Für mich ist es das auf jeden Fall.