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Lernmittelfreiheit – das nicht gehaltene Versprechen

Im Grunde genommen ist alles klar geregelt:

Für Schüler aller öffentlichen Schulen mit Ausnahme der Fachschulen besteht Schulgeld- und Lernmittelfreiheit. Dies bedeutet, dass der Unterricht unentgeltlich erteilt wird und die erforderlichen Lernmittel für die Dauer ihres Gebrauchs im Unterricht kostenlos leihweise überlassen werden.

Die Beschaffung von Gegenständen geringen Werts wird Eltern beziehungsweise Schülern zugemutet. Lernmittel können auch ausnahmsweise zum Verbrauch zugelassen werden, wenn Art oder Zweckbestimmung des Lernmittels eine Leihe ausschließen. Die Schulen unterrichten die Eltern ihrer Schüler in aller Regel zu Beginn oder bei Bedarf auch während des Schuljahrs über Inhalt und Grenzen der Lernmittelfreiheit.

so ist es im § 94 SchG Schulgesetz für Baden-Württemberg nachzulesen. Die Bagatellgrenze dafür liegt bei 1€.

Die Realität kennen alle Eltern. Immer wieder kommen die Kinder nach Hause, benötigen 10 €, 20 €, 5 € für die Anschaffung einer Lektüre, eines Arbeitsheftes. Grund ist die die bei vielen Lehrer*innen weit verbreitete Ansicht, dass man in geliehene Lernmittel nur mit Bleistift schreiben dürfe oder gleich gar nicht – die Schüler*innen also die Arbeitsblätter abschreiben müssten, um sie bearbeiten zu können. Und natürlich hat die Schule ein Interesse, so wenig Geld wie möglich auszugeben. Denn die Schule muss jedes Jahr alle Schüler*innen kostenlos mit allen Büchern ausstatten, außerdem sind je nach Schulart weitere Mittel zu beschaffen – bis hin zu Taschenrechnern. Die Mittel dafür sind für jede Schule begrenzt, über die Höhe der Mittel beschließt der jeweilige Gemeinderat.

Es wird derzeit eine Handreichung des Landeselternbeirats in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium vorbereitet – die alleine schon zeigt, dass es vielfältige Probleme vor Ort gibt. Bei uns ist das an einer Schule so gewesen, dass für den Fremdsprachenunterricht ein Arbeitsheft empfohlen wird – aber es auch „ohne ginge“. Aber natürlich wird den Schüler*innen gesagt, dass es besser wäre, sie hätten es. Klassensätze würden nicht bestellt, die Schüler*innen sollen ihr Arbeitsheft individuell besorgen. Ich finde ja, dass man so etwas entweder benötigt – oder eben nicht. Als immer um das Schulergebnis beorgtes Elternpaar fühlt man sich da schon unter Druck gesetzt, dem eigenen Kind die bestmöglichen Arbeitsmaterialien zur Verfügung zu stellen.

Interessant war dabei die Verlautbarung einer Schulleitung, mit der ich darüber gesprochen hatte: es ist so, dass die Schulbuchverlage den Teil mit den Übungsaufgaben, der immer zu den einzelnen Lektionen in den Schulbüchern gehört hat, reduzieren oder sogar ganz rausnehmen – und dafür dann ein extra Arbeitsheft produzieren, das man dann natürlich kaufen kann, soll oder gar muss.

Will derdie Lehrer*in ein solches Heft verbindlich einführen, muss ersie in der Schule in der Fachkonferenz (sofern vorhanden, ansonsten gegenüber der Schulleitung) die Anschaffung durchsetzen – und steht damit natürlich in Konkurrenz zu den anderen Kolleg*innen mit ihren Fächern. Die andere Alternative wäre, dass Lehrende die Aufgaben selbst erstellen. Wer das schon einmal gemacht hat, weiß, dass das eine Heidenarbeit ist und diese selbst erstellten Aufgaben auch regelmäßig überprüft und angepasst werden müssen. nicht jede*r Lehrer*in will oder kann das. Und darüber hinaus: das ist einfach in der Form nicht zu leisten.

Die Haushaltmittel für die Schulen werden aber nur sehr ungern angepasst. Es eigentlich unzumutbar, dass die SChulen mit der Gemeinde darüber verhandeln müssen. Man fragt sich schon, warum denn das Land die Kommunen nicht mit einem großzügigen Betrag pro Schulart, die am Ort ist, ausstattet. Zumal das Land ja festlegt, welche Lernmitel abstrakt nötig sind. Über das konkrete Buch/Arbeitsheft entscheidet dann derdie jeweilige Lehrer*in respektive Fachabteilung. Dies sollte man nicht alleine den Kommunen überlassen. Schüler*innen, die in reichen Kommunen auf die Schule gehen, werden so bevorzugt, die Schulen können besser ausgestattet werden. Und selbst wenn man in einer reichen Gemeinde auf die Schule geht – entscheidet dann am Ende der Geldbeutel der Eltern, ob man die besten Lernmittel erhält – oder nicht.

Vielleicht sollten Schulbücher im Ministerium erstellt werden – von freigestellten Lehrer*innen aus der Praxis, bestimmt durch Ministerium, Schulen, Landeselternbeirat und Gewerkschaft. Damit gewährleistet ist, dass die Mittel unabhängig in ihren Aussagen erscheinen. Damit wären diese Bücher dem kapitalistischen Marktgeschehen entzogen und könnte so immense Kosten für die Verwaltung und die Schulen einsparen – die man besser in dieEntwicklung geeigneter Lernmittel steckte. Individueller Unterricht, der diese Bücher ergänzt, bliebe ja nach wie vor möglich. Digitale Unterrichtsmaterialien wären so ebenso leichter herzustellen und zu beschaffen -und nicht ebenfalls mit vielen zusätzlichen Kosten verbunden.

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