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gesehen will man nicht werden

Offener Brief an OB Arnold – Querdenker in Ettlingen – nicht angemeldete Spaziergänge

Guten Abend Herr Oberbürgermeister, werte Damen und Herren der Fraktionen im Ettlinger Gemeinderat,

bevor wieder jemand schreibt, dass ich aus Malsch komme: ich weiß das, ich bin dort 2003 von Ettlingen hingezogen, aber ich bin in Ettlingen aufgewachsen und fühle mich der Stadt weiterhin verbunden – zumal meine Eltern noch hier leben und ich dort seit 1968 gelebt habe.

Wie Sie alle vermutlich wissen, engagiere ich mich seit Mai 2020 gegen die Querdenken-Bewegung. Wie Sie auch sicher wissen, hat es diese, nach verschiedenen Anläufen, geschafft, nicht angemeldete Demonstrationen, die sie Spaziergänge nennen, in sehr vielen Städten und Gemeinden zu etablieren. Kennzeichen: sie mobilisieren dazu bei Telegram, man versammelt sich vor dem Rathaus der jeweiligen Gemeinde, geht durch die Stadt und endet dann wieder vor dem Rathaus. Eine Demonstration.

Schreitet die Polizei ein, wird keine Versammlungsleitung benannt.

So auch in Ettlingen. Engagierte Antifaschist*innen aus Ettlingen und Umgebung beobachten das Gebaren in Ettlingen, seitdem diese solche Spaziergänge im Dezember wieder aufgenommen haben. Sie wissen sicher, dass wir ähnliche „Lichtermärsche“ im Januar 2021 mit Unterstützung der Polizei Ettlingen stoppen konnten. Und Sie haben sicherlich davon gehört, dass Wolfgang Weber, ehemaliger Vorsitzender des DGB, von diesen Leuten gewalttätig im Januar 2022 angegangen wurde.

Daraufhin habe ich in der letzten Woche ein Mahnwache angemeldet, zu der mehr als 60 Personen kamen, davon viele – nicht alle – aus Ettlingen. Die Querdenker konnten an diesem Abend den Marktplatz nicht besetzen.

Erwartungsgemäß waren sie aber heute Abend wieder da. Wir hatten verabredet, dass wir schauen, ob sie kommen und im Zweifel eine spontane Mahnwache anmeldet. Was wir leider tun mussten.

Was ist geschehen. Gegen 18 Uhr war ich am Marktplatz, wo eine größere Menge Menschen, um die 30 Personen, vor der Verkaufszeile stand. Sie waren eindeutig eine Gruppe, unterhielten sich. Es war eine Trillerpfeife zu hören, irgend jemand rief „Widerstand“. Daraufhin informierten wir die Polizei Ettlingen.

Parallel dazu stellen wir uns vor dem Rathaus mit dem zur Sicherheit mitgebrachten Transparent auf, insgesamt waren wir als Gegengruppe ca. 10 Personen.

Die Querdenker liefen daraufhin los, zunächst in Richtung Schloss, dann über die Leopoldstraße, die Albstraße hinunter, dann wieder zum Marktplatz. Eine Gruppe lief durch die Kronenstraße, dann links ab, einmal außen herum und kam über den Neuen Markt wieder.

Die informierte Polizei, die tatsächlich in der Stadt in Polizeifahrzeugen anwesend war, schritt nicht ein, obwohl 30 Personen an ihnen vorbei liefen. Ich sprach die Beamten an, daraufhin wollte mir der Polizist weis machen, dass es sich um eine spontane Demonstration handele. Man fragte nach, ob die Leute Lichter mit sich führten. Ich wies auf die Mobilisierung via Internet/Telegramgruppen hin, was eine spontane Versammlung ausschloss. Davon wollte man nichts gewusst haben.

Auch am Ende, als die Gruppe sich wieder auf dem Marktplatz versammelte, eindeutig als Gruppe erkennbar, schritt die Polizei nicht ein, die mit 6 Personen in Fahrzeugen anwesend war. Auch die Ordnungsbehörde, die zwischenzeitlich eingetroffen war, sah keinen Grund, einzuschreiten.

Von der Polizei erhielt ich telefonisch die Information, dass man personell nicht in der Lage sei, die Gruppe aufzuhalten, mündlich (aus den Fahrzeugen) dass es keine Demonstration gewesen sei, dass man die Aufrufe bei Telegram nicht kenne und mir wurde die Frage gestellt, ob ich die Leute weggeprügelt sehen wolle. Dies verneinte ich – aber wies darauf hin, dass man Personalien aufnehmen und Bußgelder verhängen könne. Und dass ein Polizei, die sich so vorführen lässt, dazu einlädt, dass man wiederkommt. Was wohl nächste Woche geschehen wird. Das Versammlungsrecht ist ein hohes gut, es steht eh durch konservative unter Druck und ein Laissez-faire diesem permanenten Bruch des Versammlungsrechts sorgt man dafür, dass dieses vermutlich irgendwann verschärft wird. Etwas, was man als Demokrat, der Demonstration als wichtiges Instrument in einer Demokratie sieht, nicht wollen kann.

Ich hatte zwischenzeitlich eine Versammlung angemeldet und diese dann um 19 Uhr, als die letzten der Querdenker den Marktplatz verlassen hatten, wieder beendet.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Damen und Herren des Gemeinderats: ich bitte Sie, dafür zu sorgen, dass diese Versammlungen zukünftig nicht länger zugelassen werden, wenn sie nicht dem Versammlungsrecht entsprechen. Und noch wichtiger: es gab auch heute wieder viele Leute, die uns im Vorbeigehen Mut zusprachen ud sich bedankten für unser Engagement. Es scheint, dass die Ettlinger darauf warten, dass man sich auch hier diesen Leuten entgegen stellt. Es wäre wundervoll, wenn sich zukünftig Gemeinderäte und politische Kräfte der demokratischen Parteien in Ettlingen montags um 18 Uhr einfinden würden, um dafür zu sorgen, dass diese Leute nicht glauben, sie wären alleine und könnten einfach so, mir nichts, dir nichts, vors Rathaus ziehen und „Widerstand“ brüllen. Das sollte man doch nicht einem Malscher überlassen müssen?

Der Termin in Ettlingen wird als Dauertermin beworben – unter anderem bei den Freien Badenern, eine Gruppe, die sich mit der rechtsextremen Kleinstpartei Freie Sachsen verbunden fühlt. Siehe Screenshot im Anhang. Es gibt weitere Telegramkanäle mit Mobilisierung, in denen der Termin in Ettlingen genannt wird. Von einer „Spontandemo“ kann also weiterhin nicht die Rede sein. Und dass die Polizei Ettlingen nichts davon gewusst haben möchte, dass bei Telegram mobilisiert wird, nach den Diskussionen der letzten Wochen gerade um Telegram und die bundesweit stattfindenden Spaziergänge, erscheint mir nicht sehr glaubwürdig. Man könnte fast vermuten, nach den Äußerungen, es wäre eine „Spontandemo“ gewesen heute, dass es Sympathien bei der Ettlinger Polizei für die Querdenker gibt. Das wollen wir nicht hoffen. Aber vielleicht fragen Sie mal bei der Revierleitung nach?

Dass man personell nicht in der Lage gewesen sein will, diese Leute aufzuhalten, will mir auch nicht so richtig in den Kopf. Letzte Woche, bei der Mahnwache, waren viel mehr Polizist*innen auf der Straße. Komisch, dass das immer nur passiert, wenn Linke eine Versammlung anmelden und nicht, wenn Rechtsextreme und Mitläufer*innen unangemeldet durch die Straßen laufen. Ich dachte, unser Recht gälte für Alle gleichermaßen?

Vielleicht hilft ja auch eine Allgemeinverfügung wie in Karlsruhe? Dort war heute Abend sehr viel Polizei aufmarschiert.

Ich wünsche eine schöne Woche und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Jörg Rupp
Die Nervensäge aus Malsch

P.S.: tut mir leid, ich muss diesen Brief in meinem Blog veröffentlichen

Update 1:

Heute Morgen erreichte mich eine Mail aus der Kriminalinspektion 6 aus Karlsruhe – das ist der Staatsschutz:

Sehr geehrter Herr Rupp,

Ihre Nachrichten (E-Mail vom 10.01.2022, 21:04 Uhr, sowie auch vom 04.01.2022, 11:03 Uhr) haben mich erreicht.
Diese werden der Staatsanwaltschaft Karlsruhe zur Prüfung, Bewertung und ggf. Einleitung von Ermittlungsverfahren weitergeleitet.

 

Update 2:

Am 12.01.22 erreichte mich eine Antwort des OB Arnold:

Sehr geehrter Herr Rupp,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 10.01.2022.

Das Konzept der Versammlungsbehörde und der Polizei sieht seit Weihnachten 2021
vor, ungenehmigte Versammlungen in Ettlingen konsequent zu unterbinden und
Platzverweise auszusprechen. So wurde es auch durch den KOD und die Ettlinger
Polizei gehandhabt. Dies führte bislang dazu, dass lediglich vereinzelte Gruppen
als „Spaziergänger“ in Ettlingen unterwegs waren und sich diese bei Ansprache,
sofern eine mögliche Versammlung erkennbar war, auch sofort entfernt haben.
Diese Kleingruppen waren jeweils ohne Transparente oder Sprechchöre vor Ort.

Ich erachte es für richtig, den Spaziergängern keine zusätzliche Bühne zu bieten
und Ihnen auch keine zu große Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Aufgrund des
allgemeinen Versammlungsrechts können erkennbaren Versammlungen auch ohne eine
zuvor erlassene Allgemeinverfügung, die nicht angemeldete Versammlungen
untersagt und ferner die Möglichkeit eines Bußgeldes bietet, aufgelöst werden.

Gleichzeitig darf ich Sie bitten, sofern Sie eine Versammlung anstreben, diese
ebenfalls 48 Stunden vorher bei der Versammlungsbehörde anzumelden. Ihre
Spontanversammlung am 10.01.2022 war rechtlich bedenklich, da Sie ganz
offensichtlich mit der Absicht nach Ettlingen kamen eine Versammlung
durchzuführen, sofern Sie Spaziergänger entdecken – sogar ein Transparent hatten
Sie auch vorsorglich dabei. Auch das ist keine Spontanversammlung. Für Ihre
angemeldete Versammlung am 03.01.2022 danke ich Ihnen ausdrücklich für das
Zeichen, das dadurch zusätzlich gesetzt wurde.

Am kommenden Montag wird die Stadt Ettlingen mit einem entsprechend verstärkten
Aufgebot an Ordnungsdienstmitarbeitenden gemeinsam mit der Polizei Präsenz in
der Innenstadt zeigen und Spaziergänge, die eindeutig als Versammlung erkennbar
sind, unterbinden – so wie bisher auch.

Mit freundlichen Grüßen
gez.
Johannes Arnold


Update 3:

Am 17.01.22 fand in Karlsruhe die große Menschenkette um den Marktplatz herum statt. Die Querdenker*innen hatten schon vermutet, dass der Marktplatz voll werden könnte und eine Mobilisierung in Richtung Umland gestartet. In Bruchsal fand die größte Demonstration statt – mit rund 500 Teilnehmenden, allerdings war die dortige Aktion angemeldet und fand unter Auflagen statt. Die radikaleren unter den Querdenkern halten davon allerdings nichts – da geht es darum, sich grundsätzlich nicht an Regeln zu halten.

In Ettlingen und in Malsch fanden daraufhin Spaziergänge statt.

Die BNN berichteten:

Der Kommunale Ordnungsdienst war zwar nicht involviert, Malschs Abteilungsleiter Sicherheit und Ordnung registrierte jedoch vor Ort, dass die Gruppe der Demonstranten sich stark verkleinerte, als die Polizei auf den Plan trat.

Wegen Polizeipräsenz: Teilnehmer verlassen Demo

„Sehr viele haben die Situation verlassen.“ Es fand sich eine Versammlungsleiterin, von etwa 30 Personen wurden die Personalien festgestellt, erklärte eine Polizeisprecherin auf Anfrage unserer Redaktion. Die verbliebenen Teilnehmer gingen weiter Richtung Rathaus.

Die Lage in Ettlingen scheint man in den Redaktionsstuben dagegen weiterhin lieber totschweigen zu wollen.

Das bedeutet natürlich, dass wir auch zunächst einmal in Ettlingen Position beziehen werden – denn Malsch war vermutlich eher eine einmalige Aktion, aufgrund der Menschenkette in Karlsruhe. Wiewohl man nicht weiß was passiert, wenn diese auch am 24.01.22 stattfindet. Nichtsdesotrotz haben wir eine Mahnwache vor dem Rathaus angemeldet:

Für Solidarität – Gegen Querdenken
Montag, 24.Januar | 17:45 Uhr | Marktplatz Ettlingen

Nach wie vor finden auch in #Ettlingen als #Spaziergang getarnte #Demonstrationen der #Querdenkerszene statt. Die Szene versucht damit ihre politischen Ansichten unter dem #Deckmantel des harmlosen „Spazierens“ nach außen zu tragen.

Dass es sich hierbei nicht um harmlose, um ihre #Freiheit besorgte #Mitbürger*innen handelt, zeigt ein Blick in deren #Netzwerke und #Chats, in denen nicht nur dubiose und wissenschaftsfeindliche #Verschwörungserzählungen verbreitet werden, sondern auch rechte, rassistische, homophobe, antisemitische und hasserfüllte Beiträge an der Tagesordnung sind.

#Kritik an den #Pandemiemaßnahmen der Regierenden ist natürlich berechtigt. #Pflegenotstand, #Fallpauschalen, #Kurzarbeitergeld, zunehmende #Armut, #Impfstoffmangel in den sog. Entwicklungsländern im Zusammenhang mit der Weigerung der Freigabe von Patenten, dies sind nur einige Beispiele für verfehlte und unsoziale #Politik. Von all dem ist jedoch bei diesen #Montagsdemos nichts zu hören.

Die #Geschichte hat gezeigt: Das Vordringen antidemokratischer, antiaufklärerischer Kräfte, die in dieser Szene tonangebend sind, verschiebt den politischen #Diskurs in dieser #Gesellschaft nach rechts.

Dem wollen wir ein demokratisches Zeichen entgegensetzen!

Immerhin haben sich zwischenzeitlich auch die SPD und die Grünen in Teilen dazu bereit erklärt, teilzunehmen. Von den angeblich so bürgerlichen Parteien wie CDU und FDP hört man leider nichts, auch die Freien Wähler*innen haben sich bislang nicht gemeldet.

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Marco Müller

Wenn linke Kommunisten friedfertigen Bürgern erklären wollen, was Demokratie ist, läuft etwas gewaltig schief im Staate Dänemark !!!

Marco Müller

Sei doch froh dass überhaupt mal jemand auf deinen Blog reagiert, scheint ja sonst nicht so viele zu interessieren.

Ich finde es geradezu grotesk, wie Tichy, Achgut, oder selbst die AfD pauschal verunglimpft und in eine (rechte) Ecke gestellt werden. Ich teile ebenso Berichte von den Nachdenkseiten (eindeutig ein linkes Magazin) oder sehr oft auch Beiträge von Sahra Wagenknecht (welche ich sehr schätze), weil mich nicht dieses alberne „rechts oder links“ Geschwätz interessiert, sondern die WAHRHAFTIGKEIT, AUFRICHTIGKEIT und GLAUBWÜRDIGKEIT. Es wundert mich kein Stück, dass ich, oder jeder andere mit einer abweichenden Meinung, von einem Parteimitglied der LINKEN (oder Grünen) als „rechts“ eingeordnet werde. Allerdings war ich bis vor einigen Jahren Zeit meines Lebens Anhänger der SPD; deine Einschätzung ist also genauso falsch wie absurd.

Wenn du mich aber auch noch als „ganz rechts“ verordnen willst, stellst du mich auf eine Stufe mit den Nazis, welche ich ebenso verabscheuungswürdig wie die Linksradikalen empfinde. Hier wäre ich vielleicht etwas vorsichtig mit solchen infamen Unterstellungen.

Merke: 2 + 2 = 4. Unabhängig davon, ob es ein LINKER, Grüner, SPDler oder auch ein AfDler sagt. Eine Demokratie lebt von Toleranz, einem breiten Debattenraum und von Meinungsvielfalt. Wer das nicht anerkennen möchte, ist der wahre Anti-Demokrat!

Und weil du dich in FB über das „du“ echauffierst: ich bin auch Ettlinger, wir sind ein Jahrgang und kennen uns aus der Jugend. Ich habe das, offensichtlich im Gegensatz zu dir, nicht vergessen …!

Marco

„Rechts“ zu sein ist per se nichts verwerfliches, denn diese rührt von der parlamentarischen Sitzordnung her. Somit habe ich absolut kein Problem damit, mich als wertekonservativer (also rechts sitzend) zu erkennen zu geben. Ein Problem machen daraus lediglich Menschen wie du, welche keine Grenze mehr zwischen „rechts“, „rechtsradikal“ oder gar „Nazi“ ziehen. Genau hier liegt der Hund begraben! Oder soll ich dir unterstellen, dass du auch zu den Linken gehörst, die „das eine Prozent Reiche erschießen“ oder „einer nützlichen Arbeit“ zuführen wollen?

Die LINKEN haben jedes Maß verloren und die wenigen Realos wie Wagenknecht, Lafontaine, Gysi oder auch Palmer von den Grünen werden als „Neurechte“ abgetan.