Ich bin kein großer Fan von Christopher Lauer alias @schmidtlepp. Das hat diverse Gründe – und ist vor allem in dem Bild, das er von sich in der Öffentlichkeit malen lässt, bestimmt sowie seinen Äußerungen auf Twitter. Seit seinem legendären Ausflug nach Island mit dem Rest seiner Fraktion hat er mich geblockt. Vermutlich mit Recht. Ich weiß schon, dass ich manchmal ein nervender Kritiker sein kann. Ich bin sicher jemand, dessen zweiter Vorname „Skepsis“ oder „Hartnäckigkeit“ ist – ich bohre bei bestimmten, mir sehr wichtigen Themen nach – auch wenn’s politisch mal schwierig wird und gebe keine RUhe, wenn mir die Antwort nicht gefällt. Mag nicht jedeR.
Letzte Woche war Herr Lauer bei Maybrit Illner im TV – halb Twitterdeutschland und die Presse haben hinterher den uncoolen Ausbruch von Herrn Beck, seines Zeichens Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz im Zwiegespräch mit Herrn Lauer kommentiert – unter anderem der Focus (den ich normalerweise nicht lese):
Zur Erheiterung der Studiogäste erklärte Lauer anschließend, er sei froh, dass die Piraten bei solchen Themen, von denen sie nicht so viel Ahnung hätten, sich einen Kommentar sparten. „Und jetzt hab ich’s doch getan. Ich verlottere zusehends in der Politik.“ Und ließ sich zu der Wiederholung hinreißen, dass das, „was hier so gesagt wurde“, ja wirklich alles „ganz plausibel“ geklungen habe. „Nur Herrn Beck hab ich nicht so ganz verstanden, das war so laut.“
Also erklärte Beck dem Politik-Neuling noch einmal seinen Standpunkt. Der darin besteht, dass Beck die Transfergesellschaft unbedingt haben wollte, weil es erstens unwahrscheinlich sei, dass die Länder wirklich zahlen müssten, dazu stehe das Unternehmen mit seinen Auslandstöchtern zu gut da. Zweitens gehe es nicht um ein Unternehmen, sondern um Menschen. Und drittens drohten nun so viele Kündigungsschutzklagen vor Gericht, dass der Insolvenzverwalter kaum Investoren finden könne.
Lauer schaute dabei so konzentriert zur Decke, als würde ihm gerade etwas extrem Schwieriges und Neues erklärt. Den folgenden Dialog möchte FOCUS Online seinen Lesern wenigstens gekürzt nicht vorenthalten:
- Lauer: „Und was mache Sie in Rheinland-Pfalz jetzt konkret, um einen Sonderweg zu gehen?“
- Beck: „Wir können keinen Sonderweg gehen.“
- Lauer: „Warum nicht? Sie sind doch der Ministerpräsident.“
- Beck: „Sehen Sie, da muss man sich ein bisschen in die Politik reinbegeben.“
- Lauer: „Aha.“
- Beck: „Ja, Aha ist keine Antwort. Das Leben ist halt so schwierig.“
Eine Transfergesellschaft wäre mit Hilfe eines Kredits der staatlichen KfW-Bank möglich gewesen, erklärte Beck dann, doch eine Bürgschaft des Bundes über 70 Millionen Euro sei vom Bundeswirtschaftsminister abgelehnt worden. Die Bürgschaft der Länder sei an der FDP gescheitert. Und einzelne Länder dürften rechtlich diese Aufgabe nicht übernehmen.- Lauer: „Aber wenn das nur so klein ist, warum macht Rheinland-Pfalz es dann nicht?“
- Beck: „Vielleicht rede ich ja chinesisch“
- Lauer: „Ich kann Mandarin, Sie reden Deutsch.“
- Beck: „Ach hören Sie doch auf.“
Soweit, so bekannt. Heute beginnt aber der Pirat Lauer, so zu tun, als läge es am Format, dass er einen solchen Mist geredet hat. Er schreibt über die Schleckerbeschäftigten (und setzt auf seine unnachahmliche, ekelerregende Weise den Begriff „Schleckerfrauen“ mit dem Begriff „Dönermorde“ gleich, eine Ungeheurlichkeit)
(wer „Schlecker-Frauen“ sagt, titelt auch „Döner-Morde“)
, über deren Situation er sich zwar zwischenzeitlich informiert hat, aber trotzdem immer noch nicht weiß, dass sie tariflich bezahlt wurden. (steht alles in diesem Internet). Er beschwert sich, dass tagesaktuell über Schlecker gesprochen wird und nicht über die Oper, die er gerne schließen will. Denn es ging ja schließlich um den Schuldenstaat. Da muss man als Abgeordneter nichts wissen, wenn es um die weit über 50 Schleckerfilialen in Berlin geht.Und er regt sich auf über die Frage nach
[…]fahrscheinlosen Nahverkehr und ein bedingungsloses Grundeinkommen, aber: Wer soll das bezahlen?“ Die Frage aus dem Mund einer Moderatorin, die für eine Rundfunkanstalt arbeitet, die jährlich rund 1,8 Milliarden Euro aus einer gemeinsamen Umlage bekommt, die alle Bürger, die ein Empfangsgerät besitzen, bezahlen müssen, ist bemerkenswert.
Hier werden unzulässig Birnen mit Kartoffeln verglichen – auf Stammtischniveau. Am Ende kommt er zu dem Fazit:
Es geht in solchen Situationen nicht mehr darum, Standpunkte auszutauschen. Man verkommt zum Abziehbild und wird zum Teil einer Performance, die wenig mit der Realität zu tun hat.
Und auch wenn ich selbst diese Politiksendungen fast nicht schaue, weil ich den Informationsgehalt als gering ansehe – so muss ich hier doch erstaunt fragen: ist das was Neues? Konnte das Herr Lauer nicht wissen?
Für mich sind diese Sendungen meist entlarvend. Sie zeigen oft sehr genau, wie Menschen argumentieren, ob sie in Phrasen oder Textbausteinen reden – oder sich tatsächlich ihrer Argumente und Meinungen sicher sind oder einen politische Leitplanken haben, an denen sie sich orientieren. Ich finde es nicht falsch, nicht zu allem etwas zu wissen. Ich finde, man kann das auch sagen. Aber nach nunmehr 14 Jahren Politittalk in dem Format, das mit Sabine Christiansen ja mehr oder weniger geschaffen wurde, kann man doch durchaus davon ausgehen, dass es auch um tagesaktuelle Politik gehen kann. Und Schlecker ist ja letztendlich ein Symbol in der Frage – soll der Staat in einer solchen Situation eingreifen. Diese Frage kann man beantworten, wenn man ein inneres Wertesystem hat. Eine Grundahnung davon, was ein sozialer Staat leisten können soll. Und man kann thematisieren, dass die von einem Teil der Politik gewollten Eingriffe nicht (nur) wahlkampfbestimmt sind – sondern überhaupt eine Folge des erodierenden Sozialstaats.
Aber dann hinterher in einer großen deutschen Zeitung online montags die Argumente nachzuschieben, die einem am Donnerstag zuvor nicht eingefallen sind – das ist ziemlich neu.