Programm BDK – Teil 2

Im Vorfeld der BDK gab es erhebliche Unruhe wegen der Steuerpläne. Auch wenn sich im Programm die Texte wiederfanden, die wir auf der BDK in Kiel 2011 gemeinsam nach ausführlicher Debatte beschlossen hatten. Und auch wenn sich die Palmers dieser Partei darüber aufregen, das man ihnen und dem Ministerpräsidenten Kretschmann wahlkampfschädigendes Verhalten vorwirft – so muss man konstatieren, dass dieser Vorwurf zwischenzeitlich als gerechtfertigt angesehen werden muss. Denn sie haben im Vorfeld der BDK das Auge alleine auf die finanzpolitischen Aspekte des Wahlprogramms gelenkt – und wenn auch Winfried im Gegensatz zu anderen in seiner abschließenden Rede teilweise zurückgerudert ist – legte er diese Woche erneut eine Schippe auf die Debatte und liefert der Opposition Wahlkampfmunition:

Ich verstehe selbstverständlich ihre Irritation über unseren Parteitagsbeschluss.“ Dieser sieht unter anderem höhere Steuersätze schon ab einem Jahresbruttoeinkommen von 60.000 Euro, eine Vermögensabgabe und später eine dauerhafte Vermögenssteuer vor.

Anstatt sie klar zu stellen, diese Steuerpläne, stellt er die Balance der Maßnahmen insgesamt in Frage. Dabei gibt es zwischenzeitlich eine ganze Reihe von Berechnungen, die belegen, dass die Aussagen der Partei- und Fraktionsspitze wahr sind – die Belastungen treffen lediglich einen kleinen Teil der Bevölkerung, nämlich den Teil derer, die es sich tatsächlich leisten können, etwas mehr zu bezahlen und: auch die ambitionierten Steuerpläne erreichen nach wie vor nicht das Niveau der Steuerbelastungen unter der Regierung Kohl.

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Quelle: Hans Böckler-Stitftung

Die Frage die bleibt ist die der Gesamtbelastung – und die darf man nicht ausblenden. Zunächst zeigt sich mal, dass mit der Erhöhung des Grundfreibetrags auf 8700 € vor allem niedrige Einkommen entlastet werden.

Die Veränderung der Grunderwerbssteuer wird sicherlich auch zu Mieterhöhungen führen. Aber ist es nicht gerechter, Grund (und Immobilie darauf) mit dem Verkehrswert zu besteuern als mit einem Einheitswert? Die Berechnung auf der Basis des Verkehrswertes erhöht die Steuergerechtigkeit. Wenn ich aber in einem Haus auf einem Grundstück wohne, das erheblich an Verkehrswert zugenommen hat, seit es gekauft wurde, dann wohne ich vermutlich auch in einem Haus, das keine billigen Mieten hat. Die Neufestsetzung muss zudem für normalen Wohnraum zunächst gar keine großartigen Änderungen bringen. Es sollte aber gewährleistet sein, dass die Erträge aus Grund und Boden dem Wert angepasst werden. Die derzeitigen Vorhaben im Wahlprogramm sind nicht ausdefiniert, da  immer – das passiert auch ohne dass man das extra ins Programm schreiben muss – die Gesamtbelastung im Blick bleibt, sehe ich das als einen Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit.

Bleibt die Abschmelzung des Ehegattensplittings. Unsere Berechnungen zeigen, dass schon ab einem Einkommensverhältnis von 2:1 in der Familie keine zusätzlichen Belastungen auftreten. Wir wollen einen Anreiz für mehr gleichberechtigte Erwerbsarbeit in Familien – aus dem einfachen Grund, dass Frauen aufgrund fehlender, eigener Erwerbsbiografie keinen eigenen oder ausreichenden Rentenanspruch erwerben – und so anstatt Rente ergänzend öffentliche Gelder beziehen, wenn sie in Rente sind. Altersarmut ist ein großes Thema und kann nur eingedämmt – verhindern wird kaum möglich sein – werden, wenn das Modell Hausfrauenehe seltener wird.

In der Unternehmsbesteuerung bleibt es ebenfalls bei maßvollen Änderungen. Die Bestandsbesteuerung ist auf 35% gedeckelt. Das bedeutet für Unternehmen auch, dass sie Gewinne in guten Jahren nicht ausschließlich entnehmen können, sondern ausreichende Rücklagen bilden müssen.

Die Tonlage in dieser Debatte ist aber ziemlich schrill. Hauptsächlich entzündet sich die Frage daran, wer denn da besteuert wird.  Trifft es die sogenannte Mittelschicht alleine oder doch nur die Oberschicht? Die obige Übersicht zeigt ziemlich klar zwei Dinge: Erstens: es handelt sich um Grenzsteuern. Das heißt, bis zum Betrag 60.000 bleibt die Steuerpflicht von 42%. Ab 60.000,01 € werden es 45%, das selbe gilt für die 80.000 € als nächste Grenze.

Ab 66.500 € Bruttoeinkommen beginnen die Mehrbelastungen. Ist man jetzt mit 66.500 € Einkommen reich? Ich würde sagen: nein. Aber man ist auch nicht arm. Das Durchschnitt(familein)seinkommen (brutto) in Baden-Württemberg betrug 37.185 € im Jahr. Mit rund 30.000 € mehr kann man durchaus etwas Mehrbelastung ertragen. Es geht ja nicht um horrende Beträge, sondern steigert sich linear. Und man muss dazu sagen: Die Einkommensschere geht immer weiter auf. Ein aktueller Artikel im Spiegel zeigt: immer mehr Menschen müssen ihre Gehälter aufstocken, das Geld reicht nicht mehr zum Leben. Wenn ich das beachte, dann finde ich schon, dass zwei Lehrer_innen mit vollem Deputat durchaus als nicht reich, aber vielleicht wohlhabend bezeichnet werden können. Und die Wohlhabenden und Reichen können sicherlich einen größeren Beitrag leisten als bisher – denn Straßen wollen gebaut und repariert, Brücken repariert, die Kleinkinderbetreuung ausgebaut, Schulen saniert und besser ausgestattet werden. Unter großen Beifall wurde eine Schuldenbremse installiert. Die Armen haben ihren Beitrag geleistet. Über weniger Lohn, über unsichere Arbeitsplätze, über Lohndumping. Da viel Geld nicht mehr bei Ihnen ankommt, müsen diejenigen, bei denen es landet, sich mehr engagieren. Und da sie es nicht freiwillig tun, bleibt nur noch die Steuerschraube.

Der Steuererhebung ist allerdings kein Raubrittertum Sondern wer in dieser Gesellschaft leben möchte und ihre Leistungen in Anspruch nehmen möchte, der muss sich auch entsprechend seiner Leistungsfähigkeit engagieren. Das Lehrerehepaar kann das besser als der Hartz-IV-Empfänger. Das ist die Botschaft hinter unseren Steuerplänen. Wenn es keine Steuererhöhungen geben wird, werden diejnigen bezahlen, die sich das am wenigsten leisten können – und sich am wenigsten wehren können. Dem wollen, müssen wir ein Ende bereiten. Deswegen sind unsere Steuerpläne vielleicht nicht nett – aber gerecht und fair.

 

 

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[…] Die von ihm geforderte Balance ist da – ich empfehle da Till Westermayers Überblick oder meinen eigenen Beitrag zur Steuerpolitik. In dieser Frage – und in der Frage möglicher schwarz-grüner Koalitionen, […]

[…] führen wollte – und das, wo es doch gelungen war, alle Behauptungen zu widerlegen und ein kompliziertes Thema wirklich vielen Leuten nahe gebracht hatte – daran schuld war. Bis heute wird Jürgen Trittin […]