Sahra Wagenknecht macht nun auch bei #allesaufdenTisch mit. Ihr Interviewpartner ist der politische Kabarettist Kröhnert, der schon ihren Putschversuch #Aufstehen unterstützt hatte. Die Frankfurter Rundschau hat mit einem Kommentar schon auf die teilweise haarsträubenden Aussagen Bezug genommen.
Jetzt habe man es mit Menschen zu tun, die „Körper, Geist und Seele immer verbinden wollen und eben den Körper niemals allein schulmedizinisch behandeln lassen wollen“. Bessere Andersdenkende könne es „gar nicht geben“, steigt Kröhnert ein.
„Schulmedizin“ war ein gerne verwendeter Kampfbegriff der Nationalsozialisten, die die „verjudete Schulmedizin“ einer „gesunden Volksmedizin“ gegenüberstellten. „Konnte kein Jude als Hintermann einer Entwicklung ausfindig gemacht werden, tat es auch der Begriff ‚marxistische Schulmedizin‘, um die aus der Sicht der Nazis nivellierende Heilkunde und sozialmedizinische Ansätze zu diskreditieren“, schreibt Christian Kreil im österreichischen Standard.
Wir sehen Patienten, die geimpft sind, auch auf unseren Intensivstationen. Das sind entweder ältere Patienten, die noch nicht geboostert sind, oder Patienten, die eine schwere Erkrankung haben und auch coronapositiv sind, aber nicht deswegen auf die Intensivstation kommen. Wir sehen aber insbesondere viele, viele Ungeimpfte.
Mit wem man auch im Moment spricht, in der Mehrzahl sind es wirklich ungeimpfte Patienten.
Wagenknecht behauptet, es würde behauptet, „alles seien Ungeimpfte“. Was ja nicht stimmt. Auch Drosten hat dem widersprochen – er sagt, wir haben eine Pandemie, keine „Pandemie der Ungeimpften“. Nachdem sie diese Falschbehauptung in die Welt gesetzt hat, widerspricht sie dieser direkt – und erreicht damit den Eindruck, sie wäre (zusammen mit den Querdenkern) diejenige, die das durchschaut. Die Unterscheidung, was auf der Intensivstation passiert – auch die trifft sie nicht. Und das wäre die relevante Information. Denn es sind diejenigen, mit schweren Verläufen, die vielleicht sogar beatmet werden müssen, die das Problem sind.
Dann kommt der erwartbare Bogen zum Pflegenotstand. Die Problematik ist nicht neu, sie wird seit Jahren diskutiert und richtig: es ist schlimm und: es hat sich nichts geändert. Auf den einfachen Schluss: eine zusätzliche, starke (Über-)Forderung – zeitlich, emotional – der Pflegekräfte hat dazu geführt, dass viele Pflegende im letzten Jahre gekündigt haben, es gibt deshalb weniger Intensivbetten und schon alleine deshalb sollte man sich impfen lassen – damit dieser empfindliche Bereich und die Menschen, die dort arbeiten, in dem es um Leben und Tod geht, nicht noch stärker belastet werden, kommt sie nicht. Eine Ausbildung zur Intensivpflegekraft dauert zwei Jahre. Das ist länger als die Pandemie andauert. Wir haben jetzt eine Situation, in der es vorne und hinten klemmt. Danach wiederholt sie, dass das Narrativ „der Ungeimpfte ist schuldig“ würde geglaubt.
Die Impfstoffe würden die Hoffnungen nicht erfüllen, die man am Anfang in sie gesetzt habe. Auch hier stellt sie wieder unwahre Behauptungen auf. Sie sagt, es sei inzwischen ziemlich klar, dass sich auch Geimpfte infizieren können, dass sie das Virus weiter geben können.
Dabei wurde von Anfang an gesagt:
Die immunisierende Wirkung soll nach Angaben von Biontech/Pfizer mindestens ein Jahr lang anhalten.
Was bewirkt der Impfstoff? Ist man dann immun?Der Impfstoff soll schwere Verläufe verhindern. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, erklärt, dass der Impfstoff eine „ganz hervorragende Wirkung“ zeige. Die Aufnahme und Weitergabe von Viren werde deutlich reduziert. Der Impfschutz soll relativ lange anhalten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Geimpfte andere anstecken können – aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist nicht sehr groß. Wie lang eine Impfung vor einer Infektion schützt, ist ebenfalls noch unklar, da noch keine Langzeitstudien vorliegen.
All das sind Dinge, die bekannt sind. Die man als verantwortungsvolle Politiker*in, die sich mit der Pandemie auseinandersetzt und sich bewusst gegen die offiziellen Verlautbarungen der eigenen Partei in dieser Frage stellt, kennen muss. Und ich unterstelle, dass sie es weiß – sie aber analog zu den Querdenkenden Dinge behauptet, die nicht wahr sind und die sie dann „widerlegt“. Aus dieser falschen Behauptung heraus verbreitet sie den Schluss, dass 2G das Infektionsgeschehen nicht eindämmt. Sondern nur dazu da ist, einen Impfzwang zu rechtfertigen.
Nochmal: niemand hat jemals behauptet, dass Impfstoff einen hundertprozentigen Schutz böte oder gar Immunität, niemand hat jemals behauptet, dass Geimpfte nicht mehr erkranken könnten, niemand hat behauptet, dass Geimpfte andere nicht weiterhin anstecken könnten. Es war immer klar, dass man, obwohl man geimpft ist, bspw. die AHA-Regeln weiterhin einhalten muss. Und sie behauptet dann: all das würde ausgeblendet.
Ja, man hatte teilweise den Eindruck, als dächten viele, die Pandemie sei vorbei. Und ja, da steckt auch Politikversagen drin. EIne Frage der Kommunikation und ich bin mir sicher, dass eine Bundestagswahl während der Pandemie da nicht hilfreich war – die Menschen lechzen nach einem Ende der Pandemie und Impfzentren, die abgebaut werden, vermitteln genau dieses Bild.
Sie formuliert aber, dass sie sich darüber freut, dass Formate wie #allesaufdentisch gibt, dass Künstler*innen ihr Wort erheben, die unter den Lockdowns gelitten haben. Finanziell nennt sie vor allem – und nennt dann 2G auch wieder als Grund dafür, dass diese Künstler*innen kein Geld verdienen könnten. Was ja so auch nicht wahr ist. 2G lässt Veranstaltungen zu – man kann sich zurecht fragen, ob das ausreichend ist – und nur weil sie selbst es ablehnt, unter 2G-Vorgaben Lesungen zu halten, müssen das andere ja nicht machen. Und sie ruft dazu auf, sich nicht „einschüchtern“ zu lassen – und bedient damit das Narrativ des „Wiederstands“ gegen den Druck, den auch sie spüre.
Dann kommt – auch erwartbar – die Ächtung, wenn man abweichende Meinungen äußert. Das ist das in AfD- und Querdenkerkreise weit verbreitet Narrativ, dass man ja „nichts mehr sagen dürfe“. Doch, darf man – aber es gibt halt Widerspruch, wenn man solchen leicht widerlegbaren Unsinn erzählt.
Sie behauptet, in der Partei gäbe es nur Einzelne, die eine Impfpflicht forderten – dabei sind es zwischenzeitlich mindestens zwei ganze Landesverbände. Und zwischen „Keine Imfpfpflicht fordern“ und dem, was sie tut, nämlich die Impfung grundsätzlich in Frage stellen – indem sie wiederholt erklärt, sie lasse sich nicht mit einem gentechnischem Impfstoff impfen, sondern warte auf die Totimpfstoffe – ist dann auch noch einmal ein Unterschied. So tut sie aber, als hätte ihre Haltung eine Unterstützung in der Partei, indem sie ihre Einzelmeinung als eine unter mehreren (unterschiedlichen) Einzelmeinungen abtut. Sie relativiert aber – und das macht deutlich, dass es so eindeutig nicht ist, wie sie tut – in dem sie erst behauptet, es gäbe eine grundsätzliche Ablehnung und belegt das damit, dass es keine Anträge im Bundestag gäbe. Dann aber merkt sie wohl, was sie da sagt – und korrigiert, dass nicht „wir das eindeutig für falsch halten“ sondern sie das selbst für falsch halte und es gäbe keine Mehrheit – – allerdings in der Fraktion. Das Eis ist wohl dünn, auf dem sie sich bewegt. Und sie weiß es.
Es geht dabei um die Frage, ob sie nicht die Partei verlassen solle – „Hand aufs Herz“ sagt Kröhnert. Sie antwortet, es wären immer die gleichen Linken, die, wenn sie was sage zu Impfen, zu Migration, zu Lifestyle-Linken, die ihre Twitteraccounts „in Aktion setzten“ (als würden sie sie sonst nicht nutzen), um zu sagen, was sie für eine schlimme Person sei. Erstens geht es nicht um ihre Person, sondern um ihre politischen Positionen – auch das ist ein Ablenkungsmanöver – und gerade das Ausschlussverfahren wurde von 6 Basismitgliedern initiiert, von denen ich wohl derjenige mit dem „größten“ Twitteraccount mit aktuell nur 2600 Followern – also im Gegensatz zu ihr gar keine Reichweite habe. Und dann sagt sie: „Das ist aber nicht DIE LINKE“. Als wäre die Empörung, die nach ihrem Auftritt bei Anne Will über sie nach außen getragen worden wäre, von Einzelpersonen geäußert worden. Und es gäbe „ganz viele“, auch aus der Linken, die ihre Position unterstützen. Hier wird der Eindruck erweckt, als gäbe es in dieser Frage eine Spaltung, ein Gleichgewicht. Dabei haben Fraktion und Parteivorstand inzwischen eindeutig Position bezogen.
Sie nennt das dann eine „Schmutzkampagne“ – als wären sie keine Reaktion auf ihre Forderungen und Aussagen und beklagt sich, dass es diese öffentlich sichtbare Debatte überhaupt gibt – als wäre sie nicht die Auslöserin gewesen und schüttete nicht permanent Öl ins Feuer.
Am erschreckendsten ist aber für mich, dass an der Stelle, an der Kröhnert die Querdenkerdemonstrationen ins Spiel bringt, mit ihrem Slogan „Frieden, Freiheit, Demokratie“ und dort erneut den Eindruck erweckt, es ginge irgendwie darum, eine Diktatur zu verhindern – sie das einfach so hinnimmt, den Ball aufnimmt und erneut die Behauptung wiederholt, dass die Impfstoffe das nicht leisten könnten, was sie versprochen hätten.
Und sie ergreift nicht die Gelegenheit, sich an dieser Stelle ganz klar gegen diese Vereinigungen zu positionieren, die Kröhnert da verherrlicht. Mit Baghdi als Spitzenkandidat – in derselben Partei wie ihr Ex-Gatte Niemeyer – der sagte “
„Das Volk der Juden“ habe von den Nazis das „Erzböse“ gelernt und „umgesetzt“,“
Kein Wort zum Bündnis von Querdenkern (und Klone) mit Rechtsextremen, mit Antisemiten, Reichsbürger*innen, Staatsverächtern. Kein Wort gegen die Judensterne mit „ungeimpft“, kein Wort zu allem, was dort seit Monaten passiert. Noch nicht einmal ein „bei allem Verständnis, aber so geht es auch nicht und damit möchte ich nicht in Verbindung gebracht werden.“ Nein, offensichtlich will sie mit Querdenken in Verbindung gebracht werden, offensichtlich findet sie, dass es korrekt ist, vor einer Diktatur zu warnen, sie heraufzubeschöwren – um dann unter dem Vorwand „Widerstand“ – ein geflügelter Begriff in dieser Szene – sich an nichts mehr zu halten.
Ab da wiederholt sich das Geraune um Impfstoffe, die nicht das halten, was sie versprechen, von Nebenwirkungen, die noch nicht bekannt wären, unsinnige Vergleiche mit Alkohol und Rauchen und spricht dann von einer Gesundheitsdiktatur. Auch den Ausführungen von Kröhnert, der ein neues drittes Reich an die Wand malt widerspricht sie nicht, sondern bestätigt sie indirekt. Schön auch der Satz, dass die angebliche Panikschürerei mit Infizierten- und Sterbezahlen nur noch die Möglichkeit ließe, die Gefahren zu sehen – welche Chance läge denn in einer Pandemie?
Am Ende dann: „3G ist das richtige Mittel, wenn man wirklich die Pandemie eindämmen will – und nicht den einen Teil der Bevölkerung gegen den anderen ausspielen will“ – eine Verschwörung also. Und das Narrativ, als wären die Gruppen gleich oder ähnlich groß.