Wahlnachlese BW

Es sind keine 48 Stunden nach dem Schließen der Wahllokale vergangen – und bevor die ersten Gespräche geführt wurden, wissen alle schon – bis auf Grüne und Schwarze – das sie auf keinen Fall regieren wollen. Also, die kleinen Parteien. SPD und FDP.

Schauen wir mal kurz auf das Ergebnis: Grüne 30,3, CDU 27, SPD 12,7, FDP 8,3. Das erschreckenden AfD-ERgebnis: 15,1%.

Den Grünen ist es zwar gelungen, eine schwache CDU auf die Seite zu schieben, aber insgesamt hat das grün-rote Lager gegenüber 2011  4,3% verloren. DAs kann man nicht alleine der SPD in die Schuhe schieben. Das Lager CDU/AfD, das einigermaßen gemeinsam betrachtet werden muss, hat zusammen 42,1%. Sprich: es hat sich nichts verändert im Lande.

Kretschmann hat bei einer Zustimmung zu seiner Person von rund 60% vor der Wahl nur die Hälfte davon überzeugen können, ihn auch zu wählen. Das zeigt: der grüne Teppich ist nicht in der Mitte der Gesellschaft gelandet, der Kretschmannteppich auch nicht. Noch nicht einmal jeder Dritte findet, man könne die GRÜNEN gerade so mit Kretschmann zusammen aushalten. Bzw.: 2011 haben 24% Grüne gewählt, aus grünen Gründen und 2011 haben 6% mehr aus anderen Lagern zusätzlich Kretschmann gewählt. Das ist das, was ich aus dem Wahlergebnis herausloese, wohlwissend, dass es so einfach nicht ist. Aber der Zug, den man sich erhofft hat und von dem man jetzt spricht, dass er da wäre – der ist nicht da. Grüner Wahlsieg ist eine Fata Morgana. Denn wenn man sich betrachtet, wie sehr die SPD verloren hat -166.000 Stimmen an uns – dann sieht man das ganze Dilemma.

Die SPD hat brav Politik gemacht. Handwerklich aus ihrer Sicht gut, vorauseilend im Gehorsam wie bspw. dem frühen ausgeglichenen Haushalt – den letztendlich niemand interessiert. Ich formuliere zwei Gelegenheiten, wo sie schlicht versagt hat – und zwar genau die, die sozialdemokratisch sind und wo sie Punkte hätten machen können gegen den übermächtigen Ministerpräsidenten:

In der Frage Industrie 4.0 hat sich Kretschmann immer sehr deutlich ausschließlich wirtschaftsfreundlich positioniert. Ich habe selbst gemerkt, wie zuerst auf Landes- und dann auf Bundesebene bei uns das Thema „Robotisierungsabgabe“ eingefangen wurde. Eine sozialdemokratische Partei wie die SPD hätte sich hier zugunsten der Arbeitnehmer_innen positionieren können, sich von einem Winfried Kretschmann abheben können und so den sozialdemokratischen Kern einer Arbeiterpartei stärken können. Und nach dem Debakel mit der Landeswohungsbaugesellschaft hätte man anstatt eines ausgeglichenen Haushalts, der wegen der Schuldenbremse erst ab 2020 zwingend gewesen wäre, ein ambitioniertes Wohnungsbauprogramm einfordern können – und auch dazu mal grüne Standards in Frage stellen können. gleichzeitig hat Kretschmann in drei Ressorts hineinregiert: Wirtschaft hat er komplett an sich gerissen und damit Schmid unsichtbar gemacht – zumindest nach außen – die Integrationsministerin hat keinen Stich mehr gemacht und die Bildungspolitik ging überwiegend mit uns nach Hause.

Jetzt versagt die SPD erneut: ohne die Inhalte zu kennen, schließt sie eine Schwampel – Schwarz-Rot-Gelb – aus. Die FDP ebenfalls: damit bleibt als Option eine große Koalition aus Grünen und Schwarzen. Die Konturen dieser beiden eigentlich gegensätzlichen Parteien werden weiter verschwimmen – und die Extreme werden gestärkt. Und die ist mit Übermacht derzeit die AfD, die uns ganz sicher noch lange begleiten wird – solange wir keine andere Politik machen, eine Politik, die Abstiegsängste und Sorgen um den Erhalte des sozialen Status‘ beendet.

Für die GRÜNEN wird das gute Ergebnis ein Phyrrussieg sein. Unter Aufgabe  ganzer Politikkerne – der menschengerechten Asylpolitik, der Aufgabe der politischen Opposition zu Kanzlerin Merkel, der Aufgabe eines sozialdemokratischen Kerns hin zu einer „modernen Wirtschaftspartei“ und so weiter – sowie einer Kampagne, die wenig Inhalte, aber viel Person geboten hatte, haben nicht ausgereicht, mehr als 30% der Bürger_innen zu mobilisieren. Viele Medien und Zeitungen – slebst meine konservative BNN – thematisieren, dass eine Unterscheidbarkeit der Parteien notwendig ist, um die extremen Ränder einzuhegen. Kretschmann und sein Wellenbrecher Palmer haben gerade mit der Asylpolitik grüne Kernwähler_innen vertrieben – aber schlimmer noch, sie haben damit die Thesen der AfD hoffähig gemacht. Anstatt Merkels Politik zu stellen, die Diskrepanzen zu thematisieren, sich über gebrochene Vereinbarungen zu bschweren und ihre Umsetzung einzufordern – hat man sich in Vasallentreue geübt – und so zur Stärkung derer beigetragen, die das gefordert haben, was Merkel tatsächlich umsetzt.  Selbst die Forderung nach Schusswaffengebrauch und rassistische Äußerungen des OB Palmer wurden relativiert bzw. in Schutz genommen. Dann kann man auch AfD wählen – wenn schon Grüne diese Forderungen teilen.

Für meine GRÜNEN ist es ein tolles Ergebnis – allerdings besteht die Gefahr, dass in einer großen Koalition weiter der grüne Kern entnommen wird, beschädigt wird. Alleine eine Ampel macht Sinn. Am liebsten natürlich eine grüne – womöglich springt Herr Rülke doch noch. Wenn das nicht möglich ist, wäre es mir lieber, wir landeten in der Opposition – denn in 5 Jahren wird Kretschmann nicht mehr zur Verfügung stehen. Wie man dann ohne Festlegung auf Inhalte Politik machen möchte – da fehlt mir völlig die Phantasie. Denn darauf wird es hinauslaufen:

Am Ende zitiert Winfried Kretschmann dann noch den katholischen Theologen Karl Rahner, um sein Erfolgsrezept Politik zu erklären. Dogmen sind wie Straßenlaternen, habe Rahner mal gesagt. „Sie beleuchten in der Nacht den Weg. Aber nur der Betrunkene hält sich daran fest.“

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