Eine Unsitte ist entstanden – die Wahlprüfsteine. Per E-Mail, per Post(!) wird man bedacht mit Informationen zu den unterschiedlichsten Themen, soll Antworten liefern, sonst, ich zitiere:
Wir wollen für unsere Mitglieder, Unterstützer und die interessierte Öffentlichkeit die Antworten als „Wahlprüfsteine“ publizieren. […]Wir werden auch eine Wahlempfehlung daraus ableiten.Wenn Sie uns nicht antworten sollten, erlauben wir uns davon auszugehen, dass Ihnen das Interesse an diesen Themen fehlt und Ihre ausbleibende Antwort als 5 „Nein“ auf unsere Fragen zu werten.
In diesem Fall ist es leicht, die 5 Fragen, die mir gestellt werden, kann ich lapidar mit fünfmal „JA“ beantworten und die haben was sie wollen, es gibt eine Wahlempfehlung zugunsten von „Grün“ und alles ist so, wie es sein sollte?!
Der Verband der Familienunternehmer schreibt mir, er wolle über die „Nebenwirkungen unserer Steuerforderungen aufklären“, erzählt mir aber, dass unser Steuerkonzept zu 70,80,90 Prozent steuerlicher Gesamtbelastung des Ertrags führen wird. Ein Verband auf deren Homepage man Schmankerl liest wie:
Will man das Ziel, mehr Beschäftigung und mehr Teilhabe der Menschen am Arbeitsleben erreichen, brauchen wir auch weiterhin flexible Beschäftigungsformen, wie die Zeitarbeit.
oder die sich gegen Mindestlöhne ausspricht, gegen Regulierungen bei Befristungen und die Bindung von öffentlichen Aufträgen an Mindestlöhne „Missbrauch der Vergabe öffentlicher Aufträge zur sozialpolitischen Instrumentalisierung aus.“ nennt.
Die EDEKA verfasst sechs Seiten Infotext mit 16 Fragen. Kaum eine davon ist mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten. Die Dehoga verschickt zwei Broschüren, die man sicherlich lesen soll und hat fünf Fragen an mich. Verdi möchte was für die Krankenhausbeschäftigten wissen, deren Sorge ich teile. Und so weiter.
Wo ist eigentlich der Mehrwert für diese Organisationen? Viele NGOs machen eine Synopse der Wahlprogramme, suchen ihre Themen raus, schauen nach, was dazu in den Programmen steht und stellen das gegenüber. Es gibt Abgeordnetenwatch, es gibt den Wahl-O-Mat, es gibt sogar für Einzelthemen Roboter wie den Netzradar. Einen Mehrwert gibt es nicht – aber es ist offenbar, da lässt der Ton keinen Zweifel, der Beginn der Beeinflussung zukünftiger Abgeordneter. Ob ich das gut finden soll, weiß ich wirklich nicht.
Denn die meisten Parteizentralen liefern heute Textbausteine. Ich habe diese immer um eigenen Formulierungen ergänzt. Ob das Sinn macht, daran zweifle ich zunehmend. Aber vielleicht sollte man mal anfangen, diese Prüfsteine mit eigenen Forderungen zu ergänzen. Könnte gefallen (PDF): WPSEdeka. Achso, und ergänzend: ich habe weder Listenplatz noch eine realistische Chance auf ein Direktmandat im Wahlkreis 273 – und so wie mir geht es vielen Kandidat_innen. Ein wenig rücksichtslos ist das Ganze daher schon.
Nennt sich heute wohl Politik, wenn mit Werbung statt mit Argumenten gefochten wird.
Vermisse immer ein Kästen:
„Ich finde Kästchen Shice“
[…] ich mich hier nicht befassen. Jörg Rupp hat das Wichtigste dazu vor ein paar Wochen bereits geschrieben und dabei am Beispiel des Edeka-Pamphlets auch auf diverse Zumutungen gerade für jene hingewiesen, […]