Weg mit der Subvention von Diesel

Es wird kein Weg daran vorbeiführen, dass individueller Verkehr zukünfitg anders definiert sein wird als bislang. Bislang heißt: man hat ein eigenes Auto, das man nach eigenem Geschmack und Geldbeutel kauft. Mit dem fährt man überall hin, am besten auf den Parkplatz direkt vor dem Ort, an den man hinmöchte. Aber dass es so nicht weitergehen kann, müsste jedem klar sein, der sich die Statistik über zugelassene PKW anschaut

Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/12131/umfrage/pkw-bestand-in-deutschland/

1985, als ich den Führerschein gerade gemacht hatte, gab es ungefähr halb so viele PKWs auf den Straßen. Das ist spürbar: zweispurige Autobahnen sind tagsüber kaum mehr befahrbar, in der Rush-Hour sind kilometerlange Staus die Regel. Das sehe ich nicht nur hier in Karlsruhe. Unsere Kinder gehen in Karlsruhe auf die Schule. Als das mit dem Großen 2010 angefangen hatte, war ich noch so naiv zu meinen, wenn es morgens „knapp“ wäre oder mal die S-Bahn ausfiel, dass ich ihn geschwind zur Schule fahren könne. Ich hab ihn nach der ersten Erfahrung nur noch bis zur ersten Haltestelle in Karlsruhe gefahren.

Aber es sind nicht nur doppelt so viele Autos, diese Autos sind auch viel schwerer geworden, wie diese Übersicht der (ja, ausgerechnet) Autobild zeigt. Bis zu 603 kg schwerer, Mittelklasseautos um die 200-300 kg. 100 kg mehr Gewicht bedeuten eine Verbrauchszunahme um ca. 0,3 ltr. Zum mehr Gewicht kommen mehr Verbraucher im Inneren. Was technisch verbessert wurde, wurde durch Gewicht wieder „aufgefressen“, hinzu kommt der Trend zu SUVs in den letzten Jahren. War der Zweitwagen früher ein Kleinwagen – wenn man überhaut einen hatte – dann ist es heute zu oft ein SUV. Und: waren es 2009 noch 10,3 Millionen Dieselfahrzeuge, sind es Ende 2018 15,3 Millionen. Die Zunahme an Elektro- und Hybridfahrzeugen beläuft sich in diesem Zeitraum auf rund 267.000 Fahrzeuge. Und natürlich nimmt auch die Fahrleistung, also die gefahrenen Kilometer, Jahr für Jahr zu.

Dass der Diesel so beliebt ist, liegt natürlich an vielen Dingen. Diesel sind nicht mehr so laut wie früher, die Preisunterschiede gegenüber Benzinern sind geringer geworden. Früher musste man Vielfahrer sein, damit sich ein Diesel rentierte. Ich weiß noch, dass ich Anfang der 1990er Jahre im Außendienst (Nielsen 3b) einen Benziner gefahren bin, weil sich die Strecke, die ich monatlich zurücklegte, nicht für einen Diesel rentierte. Und es liegt am Preis – der Diesel wird wesentlich geringer besteuert als Benzin. Diesel wird subventioniert. Derzeit kassiert der Staat 47,04 Cent pro Liter Diesel. Beim Benzin sind es dagegen 65,45 Cent pro Liter. Der Gesellschaft gehen so Jahr für Jahr rund 9,3 Milliarden Euro flöten, wie der Bundesrechnungshof berechnete.

Mit diesem Betrag liese sich die Anschaffung von jährlich 2 Millionen Elektro- oder Hybridfahrzeugen mit 5.000 € fördern. Die Wirksamkeit einer solchen Förderung konnte ich vor kurzem in London beobachten: es fuhren dort sehr viele Hybridfahrzeuge herum. Da wir selbst einen Toyota Prius II fahren und derzeit überlegen, ob wir uns einen neueren Plug-In oder einen Prius + (7-Sitzer mit „richtigem“ Kofferraum) kaufen sollen, hat uns die Vielzahl dort fahrender Fahrzeuge diesen Typs schon beeindruckt – bei uns sind die selten. Ich begegne höchst selten anderen Prius-Fahrenden – in London sind sie überall zu sehen. Der Prius ist dort von der Anzahl her ungefähr wahrnehmbar wie bei uns ein Golf. Großbritannien fährt zwischenzeitlich die Förderung etwas zurück, weil die Verkaufspreise für diese Fahrzeuge fallen. Und Plugins bringen natürlich nur etwas, wenn man sie regelmäßig lädt – das war in Großbritannien offenbar öfter nicht der Fall.

Die Probleme, die bei uns allerdings der Diesel macht, sind real. Vor allem der Feinstaub- und der Stickoxidausstoß ist nachweislich schädlich – vor allem für Menschen. Die Diskussion um die Höhe der Werte ist meiner Meinung nach vor allem interessengeleitet – natürlich möchte jede*r Käufer*in sein Auto weiterhin fahren und wenn der relativ neu angeschaffte Diesel jetzt an Wert verliert, weil Diesel a) teurer wird und b) wegen des Schadstoffausstoßes in die Negativberichterstattung fällt – dann hat das für jede*n Dieselbesitzer*in Nachteile. Hinzu kommt ja, dass die Autoindustrie sich nach wie vor weigert, Diesel nachzurüsten und den realen Schadstoffausstoß ihren Versprechungen anzupassen.

Dass die konservative Politik – von Kretschmanngrün bis hin zur CSU sich mit Händen und Füßen weigert, Fahrverbote umzusetzen, das grün geführte Baden-Württemberg sogar Strafzahlungen in Kauf nimmt, ist diesen Interessen geschuldet. Populismus nennt man sowas. Denn wenn man sich die Fakten anschaut – von Zunahme des Verkehrs, dem man ja nicht permanent hinterher bauen kann bis hin zur Schädlichkeit des Schadstoffausstoßes – liegen die notwendigen Maßnahmen eigentlich auf der Hand.

Individualverkehr darf nicht mehr heißen, dass jede*r mit dem eigenen Auto überall hin kommt, sondern dass die Möglichkeit besteht, überall hin zu kommen – mit ÖPNV, mit Fahrrädern, mit Elektrofahrzeugen (Ladeinfrastruktur) oder mit ergänzenen Car-Sharing-angeboten. Das muss nicht nur gefördert werden, sondern das muss anders gefördert werden. Statt Dieselsubvention E-Fahrzeug (Fahrrad und KFZ) -Subvention. Und eine Umgewöhnung in der Bevölkerung. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber es kann heute anfangen. Dazu muss die Politik endlich andere Signale setzen. Die Aufhebung der Dieselsubvention könnte ein erstes Zeichen sein. Und schnell umzusetzen.

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