wieso denn Doppelmitgliedschaften?

Nina Galla ist nicht länger Mitglied der grünen Partei. Sie war lange grünes Mitglied, hat in der BAG Medien und Netzpolitik mitgearbeitet und begeisterte sich für die Piratenpartei.

Im Zuge Ihrer Begeisterung trat sie als grünes Mitglied in die Piratenpartei ein – ihr Ziel war, die Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Grünen und Piraten zu verbessern – und

Für mich stehen drei Vorteile im Vordergrund, die die politische Arbeit erleichtern:
1. Eine Doppelmitgliedschaft verhindert Mitgliederschwund und das aus der Wirtschaft bekannte „brain drain“ auf Seiten der Partei, in der die erste Mitgliedschaft bestand und die üblicherweise bei einem Parteiwechsel verlassen wird: Eine Mitarbeit ist zwar auch ohne Mitgliedschaft möglich, aber eine tatsächliche Einflussnahme durch Stimmrechte findet nicht statt. Die Motivation, sich ohne Stimmrecht für eine Partei zu engagieren ist logischerweise begrenzt. Außerdem fördert ein dauerhafter Wissensaustausch die Kompetenzen beider Parteien.

2. Doppelte Mitgliedschaften bedeuten Mitgliedsbeiträge und damit dringend benötigte finanzielle Unterstützung für beide Parteien.

3. Eher psychologisch wirkt der dritte Vorteil, dass durch Doppelmitgliedschaften der Weg zum politischen Wettbewerber kürzer wird – arbeiten Mitglieder beider Parteien regelmäßig zusammen und fühlt sich das Mitglied beiden verbunden, wirkt sich das positiv auf das Gesamtverhältnis aus. Parteien sollen sich zwar voneinander abgrenzen, aber das aktuell praktizierte Konkurrenzdenken und Angriffe wirken auf den Wähler unsympathisch und schrecken ab. Die Abgrenzung sollte allein auf der Sachebene stattfinden. Wir sollten und können dem Wähler zutrauen, dass er auch bei enger Kooperation von Parteien seine Wahlentscheidung treffen kann.

wie sie in einem längeren Interview mit politik-digital.de ausführte. Gestern dann war Verhandlung vor dem Schiedsgericht – die mit der Beendigung ihrer grünen Mitgliedschaft endete – mit Fug und Recht und dazu ein Ergebnis, wie ich es mir wünschte.

Denn einerseits fehlt mir der Glaube an die Ernsthaftigkeit, die Nina behauptet. Sie sagt:

Mir wurde konkret ein Satzungsverstoß durch meinen Eintritt bei den Piraten vorgeworfen, aber Fakt ist und bleibt, dass die Satzung diesen Fall nicht geregelt hat. Die Satzung besagt, dass kein Mitglied einer anderen Partei Mitglied bei den Grünen werden darf. Die Ableitung, dass ein nachträglicher Beitritt zu einer anderen Partei einer Satzungswidrigkeit entspricht, bleibt eine Interpretation.

Ihr diese Beugung der Satzung – der leitende Gedanke ist mämlich für mich völlig klar: man kann nicht in zwei Parteien Mitglied sein – durchgehen zu lassen, wäre für mich völig unverständlich gewesen – zumal dann auf einmal Doppel (und noch mehr?)mitgliedschaften möglich gewesen wären, die zugelassen hätten werden müssen, nur, indem man auf das Beitrittdatum schaut. Und auch mit Parteien, mit denen wir nunmal gar nichts zu tun haben wollen. Darüber hinaus hätte es ihr frei gestanden, auf das Ergebnis Einfluss zu nehmen: ab 16. November, in wenigen Tagen also, ist Grüner Bundesparteitag in Hannover. Zusammen mit 19 Unterstützer_innen hätte Sie rechtzeitig – bis 5. Oktober, 12:00 Uhr, einen satzungsändernden Antrag stellen können und der Delegiertenversammlung ihr Anliegen vortragen können. Das tut sie nicht, und begründet das so:

Dabei wäre dies der einzige Weg gewesen, ihren Wunsch einer Doppelmitgliedschaft zu erreichen.

Parteien treten in Konkurrenz zueinander an. Jeweils mit eigenen Programmen, mit eigenem Personal. Till Westermayer beschreibt das ganz gut in diesem Artikel. Und er konstatiert richtig: Mitarbeit auch für Pirat_innen ist auch heute schon bei uns möglich – und umgekehrt ganz genau so. Politische Parteien arbeiten auch immer wieder zusammen – ich selbst habe das Ettlinger Bündnis von Grünen,  SPD und FDP initiiert, das Frau Büssemaker in Ettlingen ins OB-Amt gehievt. Fritz Kuhn wurde durch ein breites Parteienbündnis ins Stuttgarter Rathaus (zukünftig Fritzbox 🙂 ) getragen. Die ACTA-Proteste waren, wie Nina richtig erwähnt, parteiübergreifend und ohne den grünen Arm der Anti-Vorratsdatenspeicherungsbewegung wäre auch hier ein SPD-Durchmarsch möglich gewesen.

Parteien dürfen zusammen arbeiten. Man darf Menschen, die in anderen Parteien mitarbeiten, auch nett finden und mit ihnen zusammen Tee oder Bier trinken. Man darf sogar mit ihnen verheiratet sein. Das fördert alles auch das Verständnis für die jeweils andere Sichtweise.  Aber Mitglied in zwei Parteien – ist etwas völlig anderes. Man tritt sozusagen gegen sich selbst an. Das ist widersinnig. Die grüne Wertegemeinschaft ist eine andere als die der Piraten – das zeigt schon die Frage der Frauenquote. Und der Umgang untereinander. Und das andere Verständnis von politischen Prozessen. Man muss sich am Ende entscheiden. Und das ist auch gut so. DAhilft dann auch kein Bliuck in eine aktuelle Studie der Böll-Stiftung:

Gibt es eine spezielle Nähe zwischen Piraten und Grünen? Diese These wird jedenfalls in der vorliegenden Studie vertreten. Dabei ist die Haltung vieler Parteimitglieder und Aktivisten gegenüber den Grünen durchaus ambivalent. Einerseits werden die Bündnis-Grünen als „alternde Spießer, Oberlehrer und Besserverdiener“ beschimpft; zugleich gibt es nach den Erkenntnissen der Studie zu keiner anderen Partei eine solche kulturelle Nähe und politische Schnittmengen. Während es bei anderen Landtagswahlen nur eine geringe Abwanderung von Grün-Wähler/innen zu den Piraten gab, wechselten bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus ca. 17.000 Stimmen vormaliger Grün-Wähler/innen zu den Piraten. Eine gutnachbarschaftliche Kooperation findet man bereits im Europaparlament, wo die schwedischen Piraten-Abgeordneten mit der grünen EP-Fraktion zusammenarbeiten.

Denn es ist genau die Ambivalenz, die viele Grüne gegenüber den Piraten ahben. Gerade in der aktuellen Situation: sie stellen ihre Landeslisten zur Bundestags- und anderen Wahlen auf und wählen auf die Spitzenpositionen: Männer. Folgt man den Tweets von @anked und Julia Schramm (@laprintemps), dann wird einem ganz anders, wenn man sieht, was ihnen alles von Mitpiraten an den Kopf geworfen wird. Unerträglich. Hinzu kommen die immer wieder vorkommenden Probleme mit dem eigenen rechten Rand und viele andere Vorkommnisse, die die Piraten weiter von uns Grünen entfernen, als es die SPD jemals sein könnte – und die ist auch nicht einfach. Nein, die Piraten segeln auf dem offenen Meer und wir pflegen unseren Biogarten und stellen Windräder auf. Jeder auf seiner Wiese. Die eigenen Prioritäten entscheiden. Und insoweit stimmt es: klare Verhältnisse.

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