Die Fortschrittskoalition regiert seit knapp 1,5 Jahren. Grüne sitzen im für Energie relevanten Umweltministerium, im Wirtschaftsministerium, im Landwirtschaftsministerium. Für die soziale Abfederung der Folgekosten einer ökologischen Wende haben sie eine Familienministerin. Hier sitzen ihre Verantwortlichkeiten, hier wäre Handlungsspielraum.
Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine hat dazu geführt, dass die EU den import von
- Rohöl (seit Dezember 2022) und raffinierte Erdölerzeugnisse (ab Februar 2023), bis auf einige wenige Ausnahmen
- Kohle und andere feste fossile Brennstoffe
sanktioniert hat.
Gas wird nicht sanktioniert, es gibt aber faktische, wenn auch unerklärte Gas-Sanktionen Russlands gegen die EU. Nichtsdestrotrotz, und entgegen aller Verlautbarungen des Grünen Wirtschaftsministers kommen aber weiterhin rund 15% des europäischen Gases aus Russland:
Als Reaktion auf den befürchteten Engpass bei Gas hat Robert Habeck massive Überkapazitäten bei LNG-Gas und bei Fracking-Gas aus den USA aufgebaut. Trotz eines nicht wirklich milden Winters – kälter sogar als der Winter 21/22 – sind die Gasspeicher jetzt am Ende des Winters über 60% gefüllt – letztes Frühjahr waren es am Ende eines milderen Winters 24%. Ein Grund, den Ausbau von klimaschädlichen LNG-Terminals sofort zu stoppen – und endlich das Geld in eine Wärmewende zu investieren.
Was wären Maßnahmen, die man von einem grünen Wirtschaftsminister erwarten könnte:
1. Biogas
Biogas hat ein großes Potential, das derzeit nur zu ca. 1/3 genutzt wird. So sagt es das Ministerium von Minister Özdemir. Alleine: es gibt keine konkreten Schritte, den Anbau ökologisch zu intensivieren. Niemand möchte noch mehr Maislandschaften – aber viel Potential bieten
die Durchwachsene Silphie, Blühmischungen und Wildpflanzen.
so das Ministerium. Schnellumtriebshölzer bieten ebenfalls ein großes Potential. Unser Haushalt bezieht Biogas von den Elektrizitätswerken Schönau, unter anderem aus Papierschlämmen.
Da wir die Tierhaltung zurückfahren müssen, muss der Rohstoff aus Tierfabriken ersetzt werden.
2. Windgas
Mit „Power-to-Gas steht eine seit Jahren erprobte und bekannte technische Möglichkeit, aus Strom aus Windkraftwerken Gas herzustellen. Der Windkraftausbau On-Shore könnte analog zur Photovoltaik-Pflicht an Windgutachten gekoppelt sein. Wo ausreichend Wind weht, müssen Windräder installiert werden. Wer einen laut Windatlas geeigneten Standort hat, muss als Eigentümer ein Windgutachten erstellen lassen, die Kosten dafür übernimmt der Bund. Damit käme der Windkraftausbau sehr schnell voran, die Planungen könnten noch in dieser Legislatur beginnen.
3. Wärmenetze und Solarthermie
Wir haben hier in Malsch ein bundesweit einmaliges Projekt mit dem Energiesee. Er liefert 25% des Wärmebedarfs, der Rest eine Holzhackschnitzel-Heizzentrale sowie ein Blockheizkraftwerk im Bürgerhaus und ein Gasspitzenlastkessel. Ähnliche Projekte sind da möglich, wo es Seen gibt, die viel Sonneneinstrahlung haben – also quasi überall.
Ein ca. 1.500 m2 großer Wärmekollektor wird auf dem Grund des Bühnsees verankert. Nach dem Prinzip eines überdimensionalen Sonnenkollektors entzieht der Kollektor dem See Wärme und führt sie über eine Wärmepumpe dem Nahwärmenetz zu. Zusammen mit einer neu installierten Photovoltaikanlage auf dem Dach des Bürgerzentrums erfolgt über die Sommermonate die Wärmebereitstellung zu 100 % lokal und regenerativ. Da der See den Wärmeentzug über die Sonne und das umgebende Erdreich ausgleicht, kühlt er sich nur um ca. 1 Grad Celsius ab.
Diese Anlage bildet die Basis eines Nahwärmenetzes. Wie sich gezeigt hat, ist die Bereitschaft, sich freiwillig an dieses Netz anzuschließen, bei Privathaushalten eher noch gering. Hier braucht es gesetzliche Regelungen, die es verbietet, Heizungen da neu zu installieren, wo es Nah- oder Fernwärmenetze gibt. Andere Länder haben entsprechende Vorschriften. Dazu gehört natürlich, dass dieses Netz nicht in die Hand eines privaten Unternehmens gelangen darf, sondern in der Öffentlichen Hand bleiben muss.
Solche Netze können überall nach und nach ausgebaut werden. Sie können zusätzlich durch private Solarthermieanlagen gespeist werden. Große Solarthermieanlagen, analog zu Freifeld-Photovoltaikanlagen – könnten ebenfalls Nahwärmenetze bilden. Diese Anlagen können auch auf Gebäuden errichtet werden.
4. Photovoltaik
Der Ausbau von Photovoltaik muss schnell voran gehen. Parkplätze an Autobahnen, an Supermärkten, Bädern, Theatern, Fußballstadien, Park&Ride-Plätzen müssen verpflichtend mit Photovoltaik (oder Solarthermie wenn gebäudenah) bedacht werden. Das könnte bis 2030 umgesetzt werden. Wir benötigen viel mehr Photovoltaik, um Strom für E-Autos, für Wärmpumpen, für die Substitution fossiler Energie. Habecks 500.000 Wärmepumpen sind ein nettes Ziel – nur wenn sie fossil betrieben werden, sind wir keinen oder nur einen kleinen Schritt weiter.
5. Investitionen
Die Solarindustrie muss wieder aufgebaut werden. Öffentliche Investitionen in entsprechende Unternehmen könnten erfolgen, es wäre auch möglich, diese als Genossenschaften zu gründen und die Anteile an Bürger*innen zu verkaufen. Das würde bedeuten, dass diese Unternehmen keine großen Renditen erwirtschaften müssten, sondern Erträge in der Genossenschaft verbleiben würden. Gleiches könnte mit Unternehmen geschehen, die Windräder bauen oder andere. Der Kapitalismus hilft uns an der Stelle nicht weiter – die Gewinnmaximierung zerstört jede Nachhaltigkeit in solchen Unternehmen. Außerdem wird die Energiewende so Teil der Gesellschaft, die insgesamt davon profitiert.
All das ist natürlich nicht ausreichend, noch hab ich alle Details bedacht. Es gibt sicher auch Aspekte, die ich übersehen habe. Aber ich finde, Habeck und die anderen Minister*innen tun zu wenig. Und vor allem Habeck glänzt mit fossiler Energie. Das größte Problem am Ende – das sehen wir an der jetzigen Kampagne gegen das „Heizungsverbot“ – ist die Abwälzung der Kosten auf Hausbesitzer*innen. Ich sehe es an meinen Eltern. In ihrem Alter nehmen sie solche Investitionen einfach nicht mehr vor. Sie verstehen es, sie finden auch alles richtig – aber das Geld wollen sie einfach nicht mehr aufnehmen und ausgeben. Deshalb müssten alle Mehrkosten für Umrüstungen, die aus einer fossilen Heizung eine Erneuerbare Heizung machen, vom Staat übernommen werden. Im Kontext des Ausbaus der Nah- und Fernwärmenetze profitieren alle davon.
Wer soll das bezahlen? Wir alle. Die Kosten für Anpassungen an den Klimawandel liegen geschätzt bei bis zu 900 Mrd. € bis 2050. Da wäre es doch gut, wenn man dieses Geld in die Vermeidung von Klimaschäden investieren würde.
Übrigens: vor 33 Jahren habe ich dieses Buch gelesen. Man hätte längst viele Schritte einleiten können.