Flügelkämpfe

Ich muss mich setzen. Bin genervt von Flügelinterpretationen. Genervt von einer Presse, die einen Boris Palmer hofiert, der Interviews im Akkord gibt – und seine Flügelsicht in die Welt hinausposaunt – als wäre er nicht maßgeblich am Ergebnis beteiligt gewesen mit seinen in ähnlichen Massen gegebenen Interviews mit Kritik an den Steuerplänen. Als wäre er nicht gerade sang- und klanglos erst aus dem Parteirat – und dann aus der grünen bundespolitischen Relevanz geflogen. Schlimm genug, dass er nicht den politischen Anstand hat, diese Interviews bleiben zu lassen. Wobei ich persönlich glaube, dass er nur das Sprachrohr ist – das Sprachrohr einer Realoclicque, die nicht gerne mit Namen hinter ihren Schlussfolgerungen stehen möchte.

Bin genervt von Cem Özdemirs, die noch nicht einmal den Anstand haben, ein paar Tage zwischen Rücktritt und Wiederkandidatur zu warten – anstatt sich flügelübergreifend Fürsprecher zu suchen – wie sie sich sicherlich für Malte Spitz und Astrid Rothe-Beinlich finden werden. Hoffe auf eine Bin begeistert von Claudia Roth, die ihnen allen erneut den Spiegel vorhält. Genervt von einem Jürgen Trittin, der seinen Rücktritt zusammen mit Katrin Göring-Eckardt hinauszögert hinausgezögert hat (und Katrin will ja Fraktionsvorsitzende werden – ganz schön viel Chuzpe hat sie) – vielleicht, weil er immer noch auf einen Ministerposten hofft. Der sich in seiner Analyse dazu versteigt, eine virtuelle Mehrheit rechts von der Mitte zusammen zu fabulieren, damit er vielleicht noch mit einem blauen Auge davon kommt. Als wäre für die Regierungsbildung nicht die Parlamentsmehrheit relevant – und die liegt nicht bei den Schwarzen. Genervt von Rücktrittsforderungen an Trittin – die vergisst, dass der gesamte Fraktionsvorstand im Boot mit ihm sitzt. Es geht ja nicht nur darum, wer den Kopf hingehalten hat – und das hat Jürgen weitaus mehr als Katrin, die als Spitzenkandidatin in meinen Augen eine völlige Fehlbesetzung war, trotz Basisvotum – sondern wer in der Sache zu verantworten hat, dass wir die Angriffe nicht parieren konnten. Das ist ja nicht nur eine inhaltliche Frage – sondern eine kommunikative Frage.

Genervt von Flügelbünden, die die Sicht ihrer  Führungspersönlichkeiten weitergeben – und ihre Führungspersönlichkeiten schon als Nachfolger präsentieren. Genervt von Realos, die schwarz-grün noch immer nicht aufgeben wollen. Da reisst dann der Wahlverlierer Janecek die Klappe auf, als hätte er nicht das grüne Ergebnis in Bayern – ohne Pädoaffäre mit Jürgen Trittin – an die Wand gefahren. Ich frage: wo ist die Basis in diesem Machtspielchen?  Es kursiert die Idee, den Parteitag im Oktober, der als Koalitionsvertragsparteitag geplant war, abzusagen. Es ist wohl die Absicht, auf dem Länderrat, auf dem die Basis unterrepräsentiert ist, die Analyse abzuschließen. Das reicht nicht. Ihr werdet Euch der Basis stellen müssen, meine Freundinnen und Freunde. Und nicht erst auf der BDK im November, wenn dann schon viel Wasser die diversen deutschen Flüsse hinuntergeflossen ist. Ich erwarte, dass die BDK stattfindet.

Ich fühle mich weiterhin dem linken Flügel zugehörig – politisch. Aber ich kann wenig mit diesem Pöstchengeschacher anfangen, das jetzt, ohne das alle Verantwortlichen mal etwas Demut geübt haben, losgeht. Ich mochte auch unsere Kampagne bei der Präsentation. Ich habe wenige Gegenstimmen gehört. Wie ich wenig Gegenstimmen zu allem gehört habe – die Zustimmung zum Programm war riesengroß – ich war dabei.

Gibt’s Grüne die mir folgen in einem Antrag, die BDK im Oktober aufrecht zu erhalten – als Sonder-BDK zum Wahlergebnis? Schaffen wir es, 46 Kreisverbände zusammen zu trommeln?

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Kay Karpinsky

Hallo Jörg,

das Problem beim Länderrat im Vergleich zur BDK ist nicht die Zusammensetzung. Die BDK wird auch in der Regel von der unteren und mittleren Funktionärsebene dominiert. Ich weiß, wovon ich rede, schließlich bin ich selbst Teil davon. Problematisch ist aber, dass der frühe Termin des Länderrats denen einen Vorteil verschafft, die gerne mit schnellen Statements bei der Hand sind, welche oft einer genaueren Überprüfung nicht standhalten. Für eine wirkliche Analyse reicht da bis am Samstag einfach die Zeit nicht.

Detlef Reppenhagen

Hallo Jörg. Ich merke Dir den Frust an. So ganz enttäuscht bin ich nicht, wenn ich sehe, wie andere Parteien (FDP und AFD) abgeschlossen haben. Es wird nun eine schwarzrote Koalition geben, und wir haben die Chance und Zeit, uns in der Opposition inhaltlich, thematisch und personell neu aufzustellen. Unsere Partei hat schon viel erreicht direkt und indirekt. Es kommt eine Phase des Umbruchs. Wir werden uns fangen und weiter gestalten. Jetzt keine hektische Betriebsamkeit, sondern Geschlossenheit und Nachhaltigkeit. Gruß Detlef

Willi Kortmann

Ich werde im KV Coesfeld für diese BDK werben.

Nikolaus Huss

Genervt sein kann ich verstehen, aber die Klatsche war eine Klatsche für den grünen Heilsversprechenswahn. EIn Programm wie ein Ikeakatalog, man muss nur bestellen, die Schwerpunktprojekte mit 100 Tage Sofortlieferservice. Grüner Größenwahn, der Sieg der Funktionäre über die Realität. Aber die, die das wählen sollten, haben zurück geschlagen.

Kleine Zwischenwahrnehmung: http://www.fruehstuecksfernsehen.nikolaus-huss.de/2013/09/day-after-gedanken-gruen/

Zeit, Konsequenzen zu ziehen: Der Gegner ist näher gerückt, alle wollen Energiewende, aber wer liefert für welchen Preis. Der Westen wir alle, wollen unseren Wohlstand weiter. Aber nachhaltig. Das würden alle unterschreiben. DIe Grünen sind eine ganz normale Partei geworden. Aber verstanden haben sie es noch nicht. Und übrigens, Jörg, kann viel deiner Gedanken verstehen, aber wenn Claudia jetzt ins Bundestagspräsidium will, dann ist das genau Altpartei: Versorgungsmetalität. Ein bißchen sieht es so aus, als wäre es ihr Racheakt an der (parlamentarischen) Gesellschaft.