Kennst du jemanden, der Long Covid hat? Es gibt ja nach wie vor keine eindeutigen Diagnosen, was auch daran liegt, dass die Erkrankung mannigfaltig ist. Meine Frau hat Long Covid und das äußert sich bei ihr teils klassisch – sie hat eine Fatigue, sie ist nicht kurzatmig – aber zu schwach, Strecken über 200m weit in einem normalen Gehtempo zu laufen. Sie hat phasenweise Probleme, sich Dinge zu merken, ihre Katzenhaarallergie ist schlimmer geworden, wie ihre Reaktion auf Feinstaub – sodass wir wenig Essen braten, sondern mehr kochen. Der Backofen bleibt fast immer aus – und wenn, müssen wir für Durchzug in der Wohnung sorgen, während der Luftreiniger auf Hochtouren läuft.
Sie ist selbstständig, geht also weiter arbeiten und das kann sie, weil sie ihr Arbeit als Ergotherapeutin mit viel Tun im Sitzen zu erledigen ist. Aber sie ist sehr oft müde, wenn sie nach Hause kommt, eigentlich auch oft, wenn sie zur Arbeit geht. Sie braucht natürlich trotzdem auch andere Reize und so geht sie weiterhin in den Chor – auch ihr Singen oft schwerfällt, wiewohl es etwas besser geworden ist. Aber in der Regel schafft sie es noch auf die Couch oder den Esstisch. Sie isst etwas – und schläft dann meistens ein.
Der Haushalt hängt seit ihrer Erkrankung zu rund 90% an mir. Früher hatten wir das gut aufgeteilt – aber da ich koche, gehört die Küche nun praktisch ganz mir. Ein Teil des Putzjobs erledige ich – aber vor allem die vielen Dinge um das Familienleben herum. Behörden, Auseinandersetzung mit Handwerkern, die Tagesklinik für den Sohn, Schule. Ich gehe weiter Vollzeit arbeiten. Und muss neben dem Alltag eben auch noch fürsorglich für meine Frau sein. Wir haben uns in diesem Jahr ein Segelboot, eine Jolle gekauft, einen alten Traum erfüllt. Aber insgesamt kommen wir auch da nicht so vorwärts, wie gedacht.
Während wir noch gesellschaftsweit darüber diskutieren, ob es Long Covid überhaupt gibt, was die Symptome sind, wie sich die Entzündung im Körper bemerkbar macht, was die neurologischen Auswirkungen sind – und immer noch keine Therapie haben geschweige denn Ärzte, die das ordentlich organisieren können – bleiben die Erkrankten damit alleine. Es ist eine Sisyphusarbeit, sich Hilfe zu organisieren – und das, während du selbst kaum dazu in der Lage bist. Also bleibt dann vieles an den Angehörigen hängen.
Meine Frau ist derzeit in Reha über Deutsche Rentenversicherung. Die Gespräche mit DRV und der Klinik habe ich geführt. Inklusive Wartezeiten von 30 Minuten bei der DRV. Die Zugfahrt zur Klinik war meine Organisation. Details bei der Begründung dafür, dass es genau diese Klinik sein musste – daran hab ich mitgearbeitet. Bei den Kindern ist einiges los – auch da hängt ein Großteil an mir. Sie ist mit ihrer Praxis umgezogen, weil das Haus, in dem die Praxis bisher war, verkauft werden soll. Die körperliche Hauptlast beim Umzug ging auf mich – telefonische Terminabsprachen mit dem wichtigsten Handwerker, der eine Therapiezentrum ab- und wieder aufbauen musste – meine Arbeit. Mein Jahresurlaub musste warten, bis sie endlich in Reha konnte. Irgendwer muss auch bei jugendlichen Söhnen morgens da sein, Frühstück richten, Kaffee kochen.
Mit so einer Belastung kommen familiäre Probleme obendrauf. Missverständnisse, Stressreaktionen und so weiter. Ich selbst habe eine Depression, die ich zwar ganz gut im Griff habe – aber unter der Belastung in diesem Jahr wieder aufgebrochen ist. Mein Job hat mich aufrecht gehalten – aber auch den konnte ich nicht immer so machen, wie ich wollte.
Ich weiß nicht, ob das schon einer Doppelbelastung ähnelt, wie sie Menschen haben, die Angehörige pflegen müssen. Ich muss ja nicht pflegen. Nur sehr viel mehr tun. Meine Frau kann das wertschätzen. Aber es ist halt nicht anders möglich. Und ich spüre, dass diese Belastung mich auffrisst. Ich bin ein „sei stark“ – Mensch. Schwäche ist da schwer einzugestehen bzw. die Zeichen zu erkennen.
Als Angehöriger einer Long-.Covid-Erkrankten gibt es für mich praktisch keine Anlaufstelle. Therapeut*innen müssen sich mit dem Thema auskennen, die Hausärztin hat zu wenig Zeit, Selbsthilfegruppen gibt es in akzeptabler Nähe keine. Und ja, ich brauche das Gespräch, hier hilft mir, der sehr, sehr viel mit Text verarbeitet, nicht weiter.
Es ist richtig, sich weiterhin um die Erkrankten zu kümmern, die Forschung voran zu treiben. Aber es wird auch Zeit, dass man sich der Angehörigen annimmt. Und sei es mit Programmen der Krankenkassen, der Landkreise. Wir sind so ausgelastet, dass wir es kaum schaffen, uns selbst zu organisieren. Wenn wir selbst noch krank sind, geht das praktisch nicht mehr. Hilferufe? Man weiß nicht so recht, wo hin. ja, selbst ne Reha machen – aber das geht ja eigentlich nur, wenn die Erkrankte wieder gesund ist. Oder halt gesünder.
